Bei der ersten großen Demonstration in Berlin gegen die Corona-Schutzmaßnahmen der Regierung trugen viele Teilnehmer und Teilnehmerinnen keine Masken, auch der Abstand wurde nicht eingehalten.
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Beim Meditieren, sagt Michael Ballweg, habe er eine Eingebung gehabt. Es gehe am Wochenende in Berlin nicht einfach um eine Demonstration gegen die Corona-Politik der Regierung. Der Protest, ist Initiator Ballweg überzeugt, müsse stärker sein – und gleich vierzehn Tage lang dauern.

So lange wollte der Gründer der Stuttgarter Protestbewegung "Querdenken 711" die Straße des 17. Juni, eine der zentralen Ost-West-Verbindungen in der deutschen Hauptstadt, blockieren, um gegen die Corona-Schutzmaßnahmen zu protestieren. Tatsächlich sind bei der Berliner Polizei dann auch Anmeldungen für tägliche Kundgebungen bis zum 14. September eingegangen.

Doch dazu soll es nicht kommen. Die Berliner Versammlungsbehörde hat die geplanten Demonstrationen am Mittwoch verboten. Sie begründet dies mit einem Blick zurück auf den 1. August.

Damals hatte es in Berlin eine erste Großdemo gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung gegeben. Viele der 20.000 Demonstranten hätten sich "bewusst über bestehende Hygieneregeln und entsprechende Auflagen hinweggesetzt", heißt es nun in der Begründung für das Verbot. Die meisten trugen am 1. August keine Masken und hielten auch den Mindestabstand von 1,5 Metern nicht ein.

Für Infektionsschutz

"Das ist keine Entscheidung gegen die Versammlungsfreiheit, sondern eine Entscheidung für den Infektionsschutz", sagt der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) und fügt hinzu: "Der Staat lässt sich nicht an der Nase herumführen."

Entsetzt hingegen ist Ballweg. "Wir gehen juristisch gegen die Entscheidung des Innensenators vor und gehen davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht diesen feindlichen Angriff auf das Grundgesetz zurückweisen wird", sagt er und kritisiert: "Ganz offensichtlich geht es dem Berliner Innensenator Andreas Geisel nicht um infektionsschutzrechtliche Befürchtungen, die seine eigene Polizeibehörde nicht teilt, sondern ausschließlich um die Gesinnung der Teilnehmer."

Ballweg ist auch überzeugt, dass es am Wochenende zu Demonstrationen kommen wird. Geisel jedoch macht klar, dass die Polizei bei einem unerlaubten Aufmarsch konsequent durchgreifen werde: "Ich bin nicht bereit, ein zweites Mal hinzunehmen, dass Berlin als Bühne für Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten missbraucht wird."

AfD mobilisiert

Anfang August hatten sich die Einsatzkräfte bei der Begleitung des Demonstrationszuges zurückgehalten, was ihnen einige Kritik eintrug. Die Polizei jedoch verteidigte die Strategie mit dem Hinweis, sie habe eine Eskalation vermeiden wollen und später ja auch die Schlusskundgebung aufgelöst.

Zur nun verbotenen Demo am Samstag hat auch die AfD-Spitze aufgerufen. Parteichef Tino Chrupalla sprach von einer "Demo für Freiheit und Bürgerrechte", Fraktionschefin Alice Weidel fand das Vorhaben "mutig und absolut begrüßenswert".

Mobilisiert haben auch viele aus der rechtsextremen Szene wie der ehemalige NPD-Chef Udo Vogt und die Kleinpartei "Der III. Weg", die sogar live tickern wollte.

Immer wieder ist von der "zweiten Welle" oder dem "Tag der Freiheit" die Rede. "Tag der Freiheit" heißt auch ein NS-Propagandafilm von Leni Riefenstahl über den siebten Reichsparteitag der NSDAP im Jahr 1935.

Kurzarbeit verlängert

Die deutsche Regierung bemüht sich derweil um eine weitere Eindämmung der wirtschaftlichen Folgen von Corona. Am Mittwoch hat das Kabinett beschlossen, den erleichterten Zugang zu Kurzarbeit um zwölf auf 24 Monate (bis Dezember 2021) zu verlängern.

"Wir haben es mit der tiefsten Wirtschaftskrise unserer Generation zu tun, und die wird nicht ab dem 1. Januar vorbei sein", sagt Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Die Verlängerung wird die Regierung rund zehn Milliarden Euro kosten.

Eine schwierige Telefonkonferenz mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer steht der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel heute, Donnerstag, bevor. Wieder einmal will die Runde versuchen, bundeseinheitliche Regelungen etwa für Beschränkungen bei Feiern zu finden. Dies ist derzeit recht unterschiedlich geregelt. In Schleswig-Holstein liegt die Obergrenze bei 50 Personen, in Nordrhein-Westfalen bei 150.

Streit gibt es auch um Corona-Tests für Urlauber, die aus Risiko gebieten nach Deutschland heimkehren. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will keine kostenlosen Tests mehr bieten, da die Labore an ihre Kapazitätsgrenzen kommen.

Sein Plan: Die Rückkehrer sollen lieber in Quarantäne gehen. Doch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagt: "Bayern will das nicht. Corona ist gefährlich, die Infektionszahlen schnellen hoch, deshalb müssen wir testen." (Birgit Baumann aus Berlin, 26.8.2020)