STANDARD-Redakteurin Nora Laufer diskutierte am Wiener Schwendermarkt mit Barbara Laa von der Initiative "Platz für Wien" und Herbert Formayer vom Institut für Meteorologie und Klimatologie der Universität für Bodenkultur.

Foto: Christian Fischer

Heiß ist es, 30 Grad zeigt das Thermometer an. Der Betonboden knallt die Hitze noch einmal zurück auf die Gesichter der Zuhörenden. Bei der zweiten Grätzeldiskussion des STANDARD ging es am Mittwoch darum, was die Stadt Wien gegen den Klimawandel tun kann. Denn dass etwas getan werden muss, war für alle spürbar.

Nora Laufer, Wirtschaftsredakteurin beim STANDARD, sprach an diesem Nachmittag nicht ohne Grund genau am Schwendermarkt im 15. Bezirk mit Barbara Laa von der Initiative "Platz für Wien" und Herbert Formayer vom Institut für Meteorologie und Klimatologie der Universität für Bodenkultur. Denn der 15. ist einer der am dichtesten besiedelten Bezirke Wiens und dennoch einer mit den wenigsten Grünflächen.

Was macht Wien denn da falsch im 15. wie auch im Rest der Stadt? Das Problem ist, sagt Formayer, dass der Klimawandel früher eben kein Problem war. Als Wien sich zur Weltstadt entwickelte, gab es noch keine Tropennächte, da musste man sich gegen die Kälte schützen. "Das hat sich massiv verändert", sagt Formayer, doch Baustruktur zu verändern ist eben teuer. Dennoch, so Laa, gebe es zahlreiche Strategien und Konzepte, "leider werden sie nur nicht umgesetzt". Der "große Wurf" fehle.

Schwammstadt Wien

Nur wenige Meter entfernt sprüht eine Sprenkelanlage in unregelmäßigen Abständen kühlen Nebel in die Richtung von Rednern und Zuhörern. Maßnahmen wie diese werden – gerade jetzt im Wahlkampf – als Mittel im Kampf gegen die Hitze viel besprochen und oft eingesetzt. Doch: Sie sollten die Ausnahme sein, sagt Formayer, allein schon wegen des technischen Aufwands.

Viel wichtiger wäre eine Beschattung durch Pflanzen, die zusätzlich kühlen, sind sich die beiden einig. Etwa durch das Schwammstadtprinzip – ein städteplanerisches Konzept, das bei Neubaugebieten vorsieht, dass unter der Erde genug Platz für Wurzeln ist. Damit können Bäume wachsen und die Überflutungsgefahr gesenkt werden. Und tatsächlich: Bis auf ein paar einzelne Bäume mitten im Beton ist das einzige bisschen Grün hier am Schwendermarkt ein einsamer Blumentopf, der am Geländer zur vielbefahrenen äußeren Mariahilfer Straße hängt.

Ein Parkplatz als "Katastrophe"

Flächen werden laufend versiegelt, zuletzt etwa, als in Schönbrunn ein riesiger Touristenbus-Parkplatz eröffnet wurde. Regenwasser – und auch Starkregen ist eine Folge des Klimawandels – kann dann nicht mehr versickern. Der Beton verstärkt zusätzlich die Hitze. "Das wäre vermeidbar", sagt Formayer.

Außerdem bestehe, so Laa, die Gefahr, dass große Betonflächen die Luft, die durch Luftschneisen in die Stadt getragen werden soll, weiter erhitzt. Und obendrein habe man einen Radweg verlegen müssen. "Also eigentlich ist dieser Parkplatz eine Katastrophe", summiert Laa, die auch in der Technischen Universität am Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik lehrt.

Verdichten statt ausweiten

Was also tun mit einer Stadt, die bald die Zwei-Millionen-Einwohner-Marke knackt und dennoch lebenswert bleiben will, kommt die Frage von einem Zuhörer. Die Antwort des Klimatologen: Aus Sicht des Klimaschutzes sei Nachverdichtung in der Innenstadt die einzige Lösung, "nicht ein Wuchern nach außen". Formayer spricht von einem "gewollten Wachsen", indem Farben hell, Gebäude thermisch gut saniert und Wege kurz sind.

Und indem Kapazitäten genutzt werden, sagt Laa: "Wir haben in Wien viel leerstehenden Wohnraum." Es brauche einerseits Anpassungen, "damit wir mit der Hitze klarkommen", und andererseits Maßnahmen, "um Schlimmeres zu verhindern". So könne man Synergien nutzen: "Wenn es kühl ist, gehen mehr Leute zu Fuß."

Verkehrsberuhigung breitet sich aus

Doch was läuft gut in Wien? Erstens ist Bereitschaft zur Veränderung da. "Wir sehen, dass auf allen Ebenen das Thema Klima ernst genommen wird", sagt Formayer. "Nur die Umsetzung ist in der Praxis noch nicht erprobt."

Die Forderungen der Initiative "Platz für Wien" wurden immerhin von mehren Bezirksvertretungen unterzeichnet. Und von über 37.000 Unterstützerinnen und Unterstützern. Deren Sprecherin Laa erinnert an die Mariahilfer Straße. So viele seien dagegen gewesen, sagt sie, "und jetzt gibt es niemanden mehr, der sie zurückbauen möchte". Jahre später begann in der Neubaugasse der Umbau in eine Begegnungszone, die Zollergasse soll folgen. Das werde sich weiter ausbreiten, glaubt Laa. (Gabriele Scherndl, 26.8.2020)