Am 11. Oktober geht es neben den Einzug ins Wiener Rathaus auch um die 23 Bezirksparlamente.

Foto: Michael Matzenberger

"Der nächste Bürgermeister heißt Michael Ludwig", prophezeite die grüne Wiener Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Birgit Hebein bereits vor einigen Wochen in einem Interview mit dem STANDARD.

Der Ausgang der anstehenden Gemeinderatswahl scheint für Hebein offenbar fix. Lediglich die Frage, mit welcher Partei der rote Stadtchef Ludwig in Zukunft koalieren werde, sei offen. Es gehe also nur um Platz zwei.

Anders gestaltet sich die Lage in den Bezirken. Hier ist nichts in Stein gemeißelt – das zeigte sich zuletzt bei der Wiederholung der Bezirkswahl in der Leopoldstadt, als nach einer FPÖ-Wahlanfechtung aus einer roten Hochburg plötzlich eine grüne Festung wurde. Auch andere Bezirke sind heiß umkämpft.

Innere Stadt: Ehemalige Bezirkschefin fordert ihren Nachfolger heraus

Bei der Wahl 2015 war es in der Inneren Stadt so knapp wie noch nie zwischen Türkis und Rot. Das Endergebnis: 25,7 zu 24,2 Prozent. Der Gewinner: die ÖVP mit ihrem Neuen an der Spitze, Markus Figl. Er war damals kaum bekannt, die ÖVP in ganz Wien schlecht aufgestellt, und die FPÖ nahm der ÖVP im Ersten die Stimmen. Denn Figls Vorgängerin Ursula Stenzel war vor der Wahl zu den Blauen gewechselt, damals unter Heinz-Christian Strache. Dort fuhr sie der FPÖ ein Plus von über acht Prozentpunkten ein, landete mit 18,7 Prozent aber nur auf Platz drei.

Heuer wollte Figls rote Stellvertreterin ihren Chef herausfordern, doch die Bezirks-SPÖ wählte Mireille Ngosso nicht zur Spitzenkandidatin. Stattdessen schicken sie nun die noch recht unbekannte Lucia Grabetz ins Rennen.

Anders die FPÖ: Die Blauen setzen – diesmal ohne Strache – auf eine alte Bekannte. Stenzel will's noch einmal wissen. Und wetterte bei der Präsentation ihrer Spitzenkandidatur im Bezirk gleich gegen ihren Nachfolger: Figl sei ein "Handlager der Grünen", sagte Stenzel etwa in Bezug auf die Pläne zur autofreien Innenstadt.

Leopoldstadt: Durch eine Wahlanfechtung wurde ein roter zu einem grünen Bezirk

Völlig überraschend machten 21 Stimmen die Grün-Politikerin Uschi Lichtenegger 2015 zur Bezirksvorsteherin im Zweiten. Eigentlich ging die SPÖ aus der damaligen Bezirksvertretungswahl mit 17.499 Stimmen als klarer Wahlsieger hervor. Die Grünen erhielten 10.031, die FPÖ 10.010 Stimmen. Doch bei der Auszählung durch die Bezirkswahlbehörde wurden 82 Stimmzettel weniger als abgegebene Wahlkarten gezählt. Die Stadtwahlbehörde hingegen zählte 23 Stimmen mehr als Wahlkarten. Zum selben Ergebnis kam der Verfassungsgerichtshof, als er die Wahlanfechtung der FPÖ behandelte, weil diese sich wegen der 21 Stimmen um Platz zwei gebracht sah. Die Wahl wurde wiederholt. Die Grünen mobilisierten gegen die Blauen – und das gelang besser als erwartet: Mit 35,3 Prozent wurden die Grünen vor der SPÖ (28,1 Prozent) und der FPÖ (22,5 Prozent) Nummer eins.

Gerade in der jüngeren Vergangenheit sorgte Lichtenegger mit Pop-up-Radwegen im Zweiten für Aufsehen. Sonst blieb wenig von dem Wechsel an der Bezirksspitze erinnerlich. Die SPÖ will ihre einstige Hochburg nun mit Spitzenkandidat Alexander Nikolai zurückholen.

Mariahilf: Wo Rot und Grün besonders nahe beieinander liegen

In Mariahilf lag die SPÖ bei der vergangenen Bezirksvertretungswahl mit 4,1 Prozentpunke vorn. Auf Gemeinderatsebene hatte die SPÖ sogar einen Vorsprung von 16,1 Prozentpunkten. Da braucht man sich eigentlich keine Sorgen zu machen. Doch Mariahilf gehört zu jenen zehn Bezirken, die sich am Abend der Nationalratswahl 2019 grün eingefärbt haben. Es ist der Bezirk, in dem die Grünen – nach ihrer eigenen Hochburg Neubau – das größte Plus (23,6 Prozentpunkte) in Wien gemacht haben.

Die SPÖ tut sich hingegen schwer in Bobostan. In den Bezirken innerhalb des Gürtels lebt die grüne Kernklientel. Und die Roten unter Bezirksvorsteher Markus Rumelhart setzen in 1060 Projekte um, die eigentlich auch von den Grünen stammen könnten. Eine neue Begegnungszone entstand 2019, 2020 folgte ein Regenbogenschutzweg über die Gumpendorfer Straße. Zudem ist Mariahilf ein "Klimabündnisbezirk" – Aktionen, die nicht gerade mit Rot, sondern eher mit Grün assoziiert werden.

Auch die grüne Bezirkspartei in Mariahilf ist sehr aktiv. Sie forderte etwa die Verkehrsberuhigung der vielbefahrenen Gumpendorfer Straße und lieferte das passende Konzept gleich mit.

Josefstadt: Türkis und Grün trennten nur wenige Prozentpunkte

Knapp ist es bei den vergangenen Wahlen in der Josefstadt eigentlich immer gewesen. Anfang des Jahrtausends, bei der Bezirksvertretungswahl 2001, trennten Platz eins (ÖVP) und drei (Grüne) nur 0,65 Prozentpunkte. Die SPÖ auf Platz zwei lag irgendwo dazwischen. Jede der drei Parteien konnte rund ein Viertel der Wahlberechtigten von sich überzeugen.


Im folgenden Wahljahr gestaltete sich die Sache zwar ähnlich, wenn auch nicht ganz so knapp: 3,6 Prozentpunkte trennten die Grünen auf Platz eins von der SPÖ auf Platz drei. Die ÖVP kandidierte als "Pro Josefstadt ÖVP & Bürgerforum" – Kurzbezeichnung Pro – und verlor mit diesem Experiment die Bezirksvorstehung. Diese stellten die Grünen damit erstmals in einem weiteren Bezirk neben ihrer Hochburg Neubau. Doch es wäre nicht die Josefstadt, hätte sich nicht 2010 erneut alles gedreht. Seither blieb die Reihung: ÖVP, Grüne, SPÖ, andere. Und seither hoffen die Grünen auf ein Comeback im Bezirk.

Die Nationalratswahl 2019 hat gezeigt, dass die Grünen durchaus gute Chancen haben. Mit 32,6 Prozent lagen sie klar vor der in 1080 amtierenden ÖVP mit 23 Prozent.

Simmering: Die Roten wollen sich den einzigen blauen Bezirk zurückholen

Es war eine herbe Niederlage für die SPÖ, die sie 2015 in Simmering zu schlucken hatte. Ein Minus von 8,4 Prozentpunkten in dem traditionellen Arbeiterbezirk beförderte die Partei auf Platz zwei und bescherte der FPÖ mit einem Ergebnis von 41,8 Prozent den einzigen blauen Bezirksvorsteher in der Bundeshauptstadt: Paul Stadler.

Doch nach dem Ibiza-Skandal und der Trennung der FPÖ und Heinz-Christian Strache stehen die Chancen der SPÖ 2020 gut, das Missgeschick wieder rückgängig zu machen und den Bezirk zurückzugewinnen. Nur: Ganz einfach wird es für den neuen SPÖ-Spitzenkandidaten, Bezirksvorsteherstellvertreter Thomas Steinhart, nicht. Während die FPÖ bei der Nationalratswahl 2019 in Wien nur 12,8 Prozent erhielt, konnten die Blauen in Simmering immerhin bei 20,8 Prozent landen. Und: Auch die Roten verloren 2019 in Simmering rund drei Prozentpunkte.

Inhaltlich setzten FPÖ und SPÖ in Simmering ähnliche Schwerpunkte. Stadler fokussiert auf den U3-Ausbau bis nach Kaiserebersdorf und die Schaffung eines Ärztezentrums. Auch sein Stellvertreter Steinhart setzt auf diese Themen sowie auf neue Gemeindebauten.

Döbling: Nach Jahrzehnten geht Türkis mit neuem Bezirksvorsteher in die Wahl

Spannend wird es immer, wenn es etwas Neues gibt. So auch in Döbling. Ganze 40 Jahre lang stand Adolf Tiller für die ÖVP dem 19. Wiener Gemeindebezirk vor. 2018 endete schließlich seine Regentschaft, sein türkiser Nachfolger heißt Daniel Resch. Zur Veranschaulichung: Als dieser geboren wurde, befand sich Tiller bereits in seiner zweiten Amtszeit. Die ÖVP konnte also acht Urnengänge lang auf den Bonus eines bekannten und beliebten Bezirksvorstehers setzen.

Heuer führt erstmals Resch die Türkisen in die Bezirksvertretungswahl. Der Vorsprung auf die zweitplatzierte SPÖ ist mit 4,7 Prozentpunkten zwar nicht klein, aber Resch kann sich auch nicht gerade darauf ausruhen. Denn nicht nur die Roten wollen diese Riesenchance nutzen.

Bei der Nationalratswahl 2019 konnte die ÖVP in Döbling mit 33 Prozent zwar Platz eins sichern, stagnierte aber trotz türkisen Höhenflugs. Ein unglaubliches Plus von 12,8 Prozentpunkten – und damit Platz drei – konnten gleichzeitig die Grünen in 1190 einfahren. Auch sie wollen den Bezirk umfärben. Dass sie das können, zeigten sie 2015 in Währing, da wurde aus Türkis schon einmal Grün. (Oona Kroisleitner, 27.8.2020)