Wolfgang Knoll will wegen Corona nichts an der AIT-Ausrichtung ändern.

Foto: Heribert Corn

Nach dem Start der Technologiegespräche am Donnerstag im Bergdorf Alpbach in Tirol wird wahrscheinlich einer der beteiligten Wissenschafter besonders tief durchgeatmet haben: Wolfgang Knoll, als wissenschaftlicher Geschäftsführer des Austrian Institute of Technology (AIT) auch für das Programm mitverantwortlich. Das AIT organisiert schon seit mehreren Jahren gemeinsam mit dem Sender Ö1 die Veranstaltung, die heuer wie das gesamte Forum Alpbach hauptsächlich online mit zugeschalteten Diskussionsteilnehmern stattfinden wird. Finanziert werden die Gespräche vom Wissenschafts-, vom Klimaschutz- und vom Digitalisierungsministerium.

Die Themen will Knoll an die Herausforderungen der Gegenwart anpassen, weshalb diese wie schon in den vergangenen Jahren um Digitalisierung, Artificial Intelligence, Mobilität der Zukunft, Klimawandel, Life-Sciences und Complexity-Sciences kreisen. Seit Beginn der Corona-Pandemie hat besonders das Interesse an letzterem zugenommen. Es geht dabei, vereinfacht gesagt, um Studien, die auf Basis von großen Datenmengen zu gesellschaftlich relevanten Ergebnissen kommen.

Dann kam Corona

Corona hat auch am Austrian Institute of Technology vieles verändert, erzählt Knoll. Die Auftragsbücher sind mit 183,2 Millionen Euro laut Stand 2019 um 2,2 Prozent besser gefüllt als im vergangenen Zeitraum 2018. "Doch wir leben derzeit vom Speck der Vergangenheit. Wir müssen nun schauen, dass heuer noch ein paar Würstchen bei uns eingelagert werden." Soll heißen: Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage ist ein weiteres Wachstum 2020 ausgeschlossen. Der Umsatzrückgang wird sich aus heutiger Sicht auf nicht weniger als fünf und wahrscheinlich nicht mehr als zehn Prozent belaufen.

Das AIT wird zu 40 Prozent in Form einer Basisdotierung vom Klimaschutzministerium finanziert. Die verbleibenden 60 Prozent je zur Hälfte aus externen Erlösen, so heißen Auftragsforschung und kofinanzierte Forschung. Was Wolfgang Knoll in diesem komplizierten Jahr vor allem vermeiden möchte, ist Panik: Jetzt die thematische Fokussierung wegen Corona über Bord zu werfen, wäre ein fataler Fehler, sagt er. Die acht Center des Hauses – von Energy über Health & Bioresources bis Innovation Systems – hätten sich hervorragend entwickelt und seien zuletzt auch von einem internationalen wissenschaftlichen Panel positiv bewertet worden. Heute gilt man als Institut, das internationale Flughöhe erreicht hat. Das war in der Vorgängerorganisation nicht der Fall.

Wechsel nach Wien

Als der heute 71-jährige Knoll, langjähriger Direktor des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung in Mainz, das Angebot erhielt, nach Wien zu gehen, war das damalige Austrian Research Center Seibersdorf, besagte Vorgängerorganisation, kaum bekannt. Forscher hätten mit Achselzucken reagiert, als er sie um ihre Einschätzung bat: "Ach ja! Das Institut gibt es, aber was machen die eigentlich genau?" Es habe an Konturen, an klaren thematischen Vorgaben gefehlt, sagt Knoll. Sie wurden immerhin dem AIT gegeben. Dazu kam eine gewisse Kontinuität. Knoll und Anton Plimon, kaufmännischer Geschäftsführer, leiten das AIT seit 2008. Zum Vergleich eine Anekdote: Eine Assistentin, mittlerweile in Pension, habe einmal von 19 Geschäftsführern in 30 Jahren des Vorgängerinstituts berichtet. Knoll schüttelt den Kopf.

Er selbst wird es wohl auf insgesamt 15 Jahre bringen und am 30. 6. 2023 aus der Geschäftsführung ausscheiden. "Dann ist es genug, dann habe ich 50 Jahre ins Pensionssystem eingezahlt", lacht er. Der Wissenschafter strebt kein, wie er es nennt, "Pöstchen", auch keine Beraterfunktion am AIT an. "Ich will keiner sein, dem sie nachsagen: Jetzt kommt wieder der Alte, der kann nicht loslassen." Knoll will noch ein Lehrbuch schreiben und dann Ruhe geben. Natürlich wird er die Entwicklung des Instituts weiterhin verfolgen. "Es ist ja nicht gesagt, dass 2023 ein Nachfolger in der wissenschaftlichen Geschäftsführung genau die gleiche Richtung einschlägt. Wir hatten Erfolg, das bedeutet aber nicht, dass es sich dann nicht lohnen könnte, andere Ideen umzusetzen", erklärt der AIT-Chef. Bis dahin dauert es aber noch einige Jahre – und so heißt es für Knoll, an der Umsetzung der laufenden und der kommenden Strategieperiode zu arbeiten. Und mit anderen Experten gemeinsam das Programm der Technologiegespräche der nächsten Jahre zu entwickeln. (Peter Illetschko, 27. 8. 2020)