Die Demonstranten trotzen der Ausgangssperre und riskieren ihr Leben.

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Washington/Kenosha – Nach tagelangen Protesten gegen Polizeigewalt im US-Bundesstaat Wisconsin stationiert die US-Regierung Nationalgardisten und Beamte in der Stadt Kenosha. "Präsident Trump verurteilt Gewalt in jeglicher Form und glaubt, dass wir alle Amerikaner vor Chaos und Gesetzlosigkeit schützen müssen", sagte Kayleigh McEnany, Sprecherin des Weißen Hauses, am Mittwoch. Daher seien rund 1.000 Soldaten der Nationalgarde und über 200 Strafverfolgungsbeamte, darunter Agenten des FBI, zur Unterstützung auf dem Weg nach Kenosha.

ORF-Korrespondent Christoph Kohl berichtet aus den USA.
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Zuvor schrieb die Sprecherin des Justizministeriums, Kerri Kupec, auf Twitter, dass die Entsendung der Beamten "die staatlichen und lokalen Strafverfolgungsbehörden bei der Reaktion auf die Unruhen und Ausschreitungen unterstützen" solle. Kenosha könne bei Bedarf mit zusätzlichen Bundesmitteln versorgt werden.

Mehrfach in den Rücken geschossen

In der Stadt kommt es seit Tagen zu Ausschreitungen, seit ein Polizist am Sonntag während einer versuchten Festnahme dem 29-jährigen Jacob Blake mehrfach in den Rücken geschossen und diesen schwer verletzt hat. Der Afroamerikaner hatte nach Angaben der Staatsanwaltschaft ein Messer in seinem Auto. Das Messer sei auf dem Boden des Innenraums auf der Fahrerseite sichergestellt worden, sagte der Generalstaatsanwalt des Bundesstaats Wisconsin, Joshua Kaul, am Mittwoch. Die Polizei habe Blake konfrontiert, da sie zu einer Frau gerufen wurden, deren Freund sich gegen ihren Willen bei ihr aufhielt.

Der Versuch, Blake mithilfe eines Elektroschockers festzunehmen, scheiterte. Der Verdächtige, so der Generalstaatsanwalt, sei dann um sein Fahrzeug gegangen, habe die Fahrertür geöffnet und sich nach vorne gebeugt. Daraufhin habe der Polizist aus nächster Nähe geschossen. In dem Auto befanden sich Blakes Kinder im Alter von drei, fünf und acht Jahren.

Bewaffnete Männer erschossen Demonstranten

Daraufhin kam es zu heftigen Protesten gegen Polizeigewalt, die Behörden verhängten Ausgangssperren. Am Dienstag wurden nach Polizeiangaben drei Personen angeschossen. Zwei Opfer erlagen demnach ihren Verletzungen, das dritte ist mit schweren, aber nicht lebensgefährlichen Schussverletzungen ins Krankenhaus gebracht worden.

Die Schüsse dürften von einer Gruppe bewaffneter Männer abgegeben worden sein, die nach eigenen Angaben Vandalismus gegen Privateigentum bekämpfen. Die Polizei nahm einen jungen Mann in Antioch im benachbarten Bundesstaat Illinois in Gewahrsam. Der 17-Jährige sei bereits wegen des Tötungsdelikts formell beschuldigt worden und werde nach Wisconsin überstellt.

Der Polizeichef von Kenosha, Daniel Miskinis, sagte, man sei dabei, festzustellen, ob der 17-Jährige der Schütze aus dem Video sei. Der Jugendliche trat auf seinen – inzwischen zum Teil gelöschten – Accounts in sozialen Medien der Website "Buzzfeed" zufolge als Unterstützer der Polizei und von Trump in Erscheinung.

Vereinte Nationen fordern Untersuchung

Mittlerweile haben auch die Vereinten Nationen eine Untersuchung gefordert. Es sei wichtig, dass der Fall "komplett untersucht" werde, sagte ein Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres am Donnerstag in New York. Außerdem sei es wichtig, dass die Menschen friedlich protestieren dürften. "Rassismus ist etwas, das in jeder Gesellschaft – sei es in den USA oder in jedem anderen Land auf der Welt – angegangen werden muss, es ist ein Problem, auch in Organisationen, darunter auch unserer eigenen", sagte der Sprecher weiter.

Sport solidarisiert sich

Als Zeichen eines außergewöhnlichen Protests erreichte das Thema auch den Sport. Das Basketball-Team Milwaukee Bucks weigerte sich als Erstes, ein NBA-Playoff-Spiel zu bestreiten. Aus Protest gegen Polizeigewalt erschien die Mannschaft nicht zu ihrem Playoff-Achtelfinalspiel gegen Orlando Magic.

Dies löste eine Kettenreaktion aus: Wenig später sagte die Liga alle weiteren für Mittwoch geplanten Spiele ab. Teams und Spieler in der NBA, der MLB, der MLS und der WNBA verzichteten auf ihre Wettkämpfe. Auch Tennisstar Naomi Osaka schloss sich dem Protest an und verzichtete unmittelbar vor den US Open auf ihr für Donnerstag angesetztes Halbfinale beim Masters in New York. Das kombinierte Damen- und Herren-Turnier reagierte mit einer kompletten Unterbrechung und einer Spielpause bis Freitag. (APA, dpa, red, 27.8.2020)