Nur wer sich ganz sicher ist, für zehn Jahre in ihr wohnen zu wollen, sollte eine Immobilie kaufen. Alles andere ist wirtschaftlich sehr unklug.

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Es ist eine Frage, die wohl jeder schon einmal von einem Immobilienkäufer gehört hat: Warum sollte ich Miete zahlen, wenn ich mit der gleichen Summe auch einen Kredit zurückzahlen könnte und danach sogar Eigenheimbesitzerin oder Eigenheimbesitzer bin?

Doch so einfach ist die Rechnung nicht, sagt der deutsche Investmentbanker Gerd Kommer und Autor des Buchs Kaufen oder Mieten?. "Oft ist die Sache nicht richtig durchkalkuliert", sagt der Experte. Was meist nicht bedacht wird, sind die Nebenkosten. Sowohl jene beim Kauf selbst, etwa für Makler und den Eintrag ins Grundbuch – im Schnitt sind es in Österreich rund zehn Prozent des Kaufpreises –, als auch die laufenden Kosten zur Instandhaltung; hierfür müsse man mit 1,5 Prozent des Zeitwerts der Immobilie pro Jahr rechnen, so Kommer.

Rechnung geht nicht auf

Hinzu kommen die Kreditzinsen. Auch wenn sie heute niedriger sind als noch vor zehn Jahren, "das summiert sich auch jetzt", so der Investmentexperte. Wer nur 100.000 Euro an Kredit aufnimmt, mit einer jährlichen Rate von zwei Prozent und zehn Jahren Laufzeit, zahlt mehr als 15.000 Euro an Zinsen. "Über 30 Jahre gesehen, können diese gesamten Nebenkosten annähernd so hoch sein wie die Miete eines Mieters", sagt Kommer.

Diese Nebenkosten seien es auch, die die Rechnung nicht aufgehen lassen, dass ein Käufer monatlich so viel zahlt wie ein Mieter. Für die gleiche Wohnung gibt der Mieter im Schnitt 20 bis 30 Prozent im Monat weniger aus als der Käufer desselben Objekts, rechnet Kommer vor. Wer mietet, kann das anfängliche Eigenkapital, das der Käufer in die Wohnung steckt (meist sind es 30 Prozent), etwa in einen Fonds investieren – gemeinsam mit den monatlich 20–30 Prozent, die er oder sie über die Jahre spart. "So hat der Mieter nach 30 Jahren wahrscheinlich ein höheres Nettovermögen als der Käufer", so Kommer, selbst wenn es eine Wertsteigerung gibt – mit der man allerdings nicht automatisch rechnen sollte.

Einzelfall durchrechnen

Allerdings gilt diese Rechnung nicht für Objekte, die ab 2008 gekauft wurden, räumt Kommer ein. Denn seither haben die Immobilienpreise stark angezogen und die Zinsen sind immer weiter gefallen.

Neben vielen allgemeingültigen Faktoren ist es am Ende immer der Einzelfall, der zählt. Wer überlegt zu kaufen, sollte sich die eigene Situation durchrechnen und folgende Fragen stellen: Wie hoch wären der Kreditzinssatz, das Eigenkapital, die Nebenkosten und die Rendite anderer Anlageformen? Außerdem spielt die Abnutzung eine Rolle, die Sicherheit des eigenen Einkommens und wo man kaufen will.

Miet-Kauf-Indikator

Für Letzteres wird oft der sogenannte Miet-Kauf-Indikator genutzt. Er beschreibt, wie viele Jahresmieten für den Kauf derselben Immobilie fällig würden. Ein Wert bis 20, so die Faustregel, spricht eher für einen Kauf, darüber ist Mieten rentabler. In Wien bzw. Österreich liegt dieser Wert bei etwa 28 bis 30. Auf dem Wiener Markt spielt etwa eine Rolle, dass Mieten insgesamt vergleichsweise günstig ist – auch weil die große Menge an gefördertem Wohnbau preisdämpfend wirkt –, wohingegen die Preise für Eigentum in den letzten Jahren stark gestiegen sind.

So viel steht jedenfalls fest: Wer kaufen will, sollte sich sicher sein, dass er oder sie für zehn Jahre, im Idealfall länger, an diesem Ort bleiben will. "Das ist ganz essenziell, hier muss man wirklich ehrlich zu sich selbst sein", sagt Kommer. Denn wer früh wieder aus einer Eigentumswohnung auszieht, hat wirtschaftlich gesehen den größten Schaden, weil die bezahlten Nebenkosten dann einfach verpulvert werden.

Lieber länger bleiben

Es gilt: Je kürzer man eine gekaufte Immobilie hält, desto unattraktiver ist ein Kauf. Denn der Verkauf einer Eigentumswohnung bedeutet erneute Kosten und Arbeit, ebenso wie eine Vermietung: "Man muss sich dann mit Mietern, Handwerkern, dem Baurecht, Steuern und im schlimmsten Fall sogar mit Mietnomaden herumschlagen", sagt Kommer und ergänzt: "Niemand kann mir erzählen, dass das nebenberufliche Vermieten einer einzelnen Wohnung Spaß macht."

Am Ende ist es natürlich vor allem eine individuelle Entscheidung und eine Frage der Mentalität: Die einen können nicht schlafen, wenn sie daran denken, jahrzehntelang einen Kredit abbezahlen zu müssen. Für die anderen – und davon gibt es in Österreich viele – ist Altwerden ohne Eigenheim schlicht undenkbar. (Bernadette Redl, 28.8.2020)