Es ist noch immer eine Streitfrage, welche Orte wie von Betretungsverboten betroffen sein dürfen.

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Nachdem der Verfassungsgerichtshof Ende Juli die Corona-Betretungsverbote für weitgehend gesetzwidrig erklärt hatte, wollte das Sozialministerium das Covid-19-Maßnahmengesetz anpassen. Die geplante Novelle wurde Mitte August in Begutachtung geschickt – und kommt dort alles andere als gut an. Denn auch die neuen Regelungen könnten verfassungswidrig sein, wie aus mehreren Stellungnahmen hervorgeht. Hauptkritikpunkt: Die Betretungsverbote gingen erneut zu weit.

Kritik am Betretungsverbot

Der Entwurf sieht nämlich vor, dass "beim Auftreten von Covid-19 durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten oder öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit geregelt werden" könne. Die Verordnung könne dann entsprechend der epidemiologischen Situation Auflagen für diese Orte festlegen, insbesondere Abstandsregeln, Schutzmaßnahmen und Präventionskonzepte. "Weiters kann das Betreten gänzlich untersagt werden, sofern gelindere Maßnahmen nicht ausreichen."

Transparency International meint, dass mit diesen Betretungsverboten auch das Betreten jeglicher privater Orte – also Wohnungen – verboten werden könnte, und hält das für "überschießend und von Verfassungswidrigkeit bedroht". Die Volksanwaltschaft bezweifelt "angesichts des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Schutzes des Hausrechts und des Privat- und Familienlebens, ob der einfache Gesetzgeber einen Bundesminister dazu ermächtigen kann, für nichtöffentliche Orte wie zum Beispiel Eigentumswohnungen 'Abstandsregeln, Schutzmaßnahmen und Präventionskonzepte' festzulegen". Der Rechtsanwaltskammertag bezweifelt zudem, dass die Betretungsverbote vor dem Verfassungsgericht halten würden.

Schutz für Heimbewohner gefordert

Weiters vermisst die Volksanwaltschaft "rechtsstaatliche Sicherungsmaßnahmen als Korrektiv vor überschießenden Ausgangs- und Betretungsverboten" für Bewohner von Pflege- und Altenheimen, die im Frühjahr wochenlang "präventiv" isoliert wurden. Diese seien vom Lockdown unvergleichbar stärker in ihren Grundrechten und ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt worden als der Rest der Bevölkerung. So gebe es mehrere Fälle von Rücküberstellungen aus Spitälern sowie Neuaufnahmen in Pflegeheimen, in denen auf Anordnung der Heimleitung trotz negativer PCR-Tests wegen "potenziell gegebener Ansteckungsgefahr" 14-tägige Zimmerquarantänen verhängt wurden.

Kritik aus der Opposition

Auch aus der Politik hagelt es Kritik, vor allem an Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). "Dieser Mann ist mit elementaren Führungsaufgaben überfordert", wettert Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker. Die Novelle statte Anschober mit zu viel Macht aus. Für SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried würde die Novelle "massiv in die Grund- und Freiheitsrechte der Bevölkerung eingreifen". FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer fordert Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf, Anschober abzuberufen.

Anschober trifft Klubobleute

Der Gesundheitsminister selbst sagte am Donnerstag: "Es ist der Sinn eines Begutachtungsverfahrens, Gegenvorschläge und Kritik zu ermöglichen. Ich nehme diese – auch in den Teilbereichen, die eher parteipolitisch motiviert sind oder auf Missverständnissen aufbauen – sehr ernst".

Am Freitag endet die Begutachtungsfrist. Für kommende Woche lädt Anschober die Klubobleute der Parlamentsparteien zu Gesprächen ein, um die vorgebrachte Kritik zu erörtern: "Ich weiß, dass die Balance zwischen Gesundheitsschutz und Grundrechten eine besonders sensible ist, und suche klare Mehrheiten für das weitere Vorgehen. (APA, red, 27.8.2020)