Vom Pöstlingberg wird man künftig auf eine Stadt mit einer weiteren Universität herabblicken können: eine Aussicht, die viele verblüfft hat.
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Vorab bekannt geworden ist ein Plan, den Bundeskanzler Sebastian Kurz am Freitag in seiner Erklärung im Kanzleramt verkünden will und der nun für einige Überraschung gesorgt hat: In Linz soll eine neue technische Universität mit den Schwerpunkten Digitalisierung und digitale Transformation entstehen. Die "Oberösterreichischen Nachrichten" hatten am Donnerstag bereits über mögliche Pläne für eine solche Einrichtung berichtet. Diese wurden vom Kanzleramt am Vormittag bestätigt.

Neues "Digitalisierungsaushängeschild"

Laut einer Erklärung gab es bereits Gespräche mit Landeshauptmann Thomas Stelzer und Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (beide ÖVP). Bei Details wie genauem Standort und Zeitplan blieb man aber noch vage. Auch ob es sich um eine Ausgründung aus der Uni Linz handeln oder die neue Hochschule parallel bestehen soll, war zunächst unklar.

Die Planung soll in den kommenden Monaten intensiviert werden, hieß es. Es sollen zusätzliche universitäre Ausbildungsplätze geschaffen werden, um den Bedarf an Fachkräften zu decken. Die neue technische Uni Linz solle "gemeinsam mit den bestehenden technischen Hochschulen ein Digitalisierungsaushängeschild Österreichs werden", teilte das Bundeskanzleramt mit.

Freude, ...

Auf die Frage, warum es eine eigene Universität werden soll und kein Teil der JKU und keine Fachhochschule, sagte LH Thomas Stelzer am Donnerstag am Rande einer Pressekonferenz zu den Plänen: "Die Entwicklung der FHs und der JKU hat Oberösterreich sehr weit gebracht. Die Entscheidung der Bundesregierung für eine eigene Universität sei "ein Kompliment an das, was bisher in Oberösterreich geschehen ist".

Bildungsminister Heinz Faßmann sprach von einem "guten Tag für die Universitäten". Es gelte aber abzuwarten, wie der Bundeskanzler in seiner Erklärung im Kanzleramt die Pläne für den neuen Hochschulstandort umreißt. "Grundsätzlich finde ich es erfreulich, wenn mehr Geld in das universitäre System insgesamt, aber auch spezifisch gesteckt wird", sagte Faßmann am Rande der Alpbacher Technologiegespräche. Für den Präsidenten des Forschungsrates, Hannes Androsch, passt eine technische Universität durchaus gut in das Industrieland Oberösterreich: "Allerdings hört man schon wieder kein Wort zur Finanzierung unserer Universitäten."

... Überraschung, ...

In weiteren Reaktionen kam vor allem Überraschung zum Ausdruck – und Skepsis. "Vollkommen überrascht" zeigte sich etwa die Vorsitzende der Universitätenkonferenz (Uniko), Sabine Seidler. "Ich musste einmal tief Luft holen. Ich bin da immer hin- und hergerissen: Einerseits ist es gut, wenn mehr Geld ins System kommt. Andererseits darf das nicht zulasten des bestehenden Systems gehen – und Letzteres wird in der Regel nie eingehalten." Als Rektorin der TU Wien frage sie sich, welchen Sinn eine neue Einrichtung mache. "Wir wissen ja außerdem viel zu wenig, was überhaupt 'neue Uni' bedeutet: Geht es um ein Zusammenziehen der JKU Linz mit der FH Hagenberg oder wirklich um etwas ganz Neues?"

Dazu komme der Umstand, dass man gerade im Bereich der Informatik eigentlich keinen Mangel an Studienplätze habe, sondern ein Verteilungsproblem. "Und dem kann man nicht begegnen, indem man eine neue Uni gründet. Es gibt in Österreich ausreichend Informatikstudienplätze, die nicht besetzt sind", meinte die Uniko-Präsidentin.

... Skepsis ...

Nicht ganz so überrascht ("Der Wunsch der Industrie und des Landes, sich mit einer technischen Universität zu verstärken, war bekannt.") gab sich Harald Kainz, Präsident der TU Austria, des Zusammenschlusses der drei technischen Unis in Wien, Graz und Leoben und Rektor der TU Graz – dafür jedoch ebenso skeptisch: "Österreich ist mit drei technischen Universitäten schon sehr gut versorgt. In Bayern und Baden-Württemberg gibt es je zwei, in Hessen eine, und das sind Länder in der Größenordnung Österreichs bzw. größer."

"Aus der Struktur heraus würde ich daher keinen Bedarf sehen", betonte Kainz. "Wir müssen aufpassen, dass wir uns durch zu viele kleine Einheiten nicht selbst schwächen, weil wir eine kritische Größe brauchen, um international mithalten zu können. Wenn ich aus einem Kuchen viele Stücke machen möchte, werden die halt alle sehr schmal."

Positiver äußerte sich dagegen der Rektor der Universität Linz, Meinhard Lukas: Die Gründung einer universitären Einrichtung, die sich in Lehre und Forschung ganz der Digitalisierung verschreibt, sei eine spannende Idee. Und Oberösterreich sei als Standort dafür "goldrichtig".

... und noch einmal Überraschung

Auch der Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Knill, bekannte, erst am Donnerstag "sehr überraschend" von der Initiative erfahren zu haben. Als "grundsätzlich wichtigen Schritt" in Richtung eines Bekenntnisses der Politik zu den Themen Wissenschaft, Digitalisierung und Standort versteht Knill den Vorstoß. Bezüglich der Umsetzung habe man noch keine näheren Informationen, aber "durchaus Sorge, dass Mittel in bürokratischen Strukturen aufgehen und nicht in die so notwendige Forschung, Wissenschaft und Anwendung fließen". Knill warnte davor, "dass wir uns hier durch eine Vielzahl an Technischen Universitäten nicht in Richtung Exzellenz entwickeln. Wir brauchen Größe und vor allem auch finanzielle Mittel."

Die bisherige Infrastruktur

In Linz gibt es bereits die Johannes-Kepler-Universität (JKU). Sie bekam 2014 eine medizinische Fakultät dazu, hat aber traditionell einen starken technischen Fokus. Die Uni am Stadtrand mit zuletzt runderneuertem Campus, die als europaweit erste ein Mechatronikstudium angeboten hat, verfügt etwa über ein internationales Lehr- und Forschungszentrum für Produkt- und Produktionsprozessforschung namens Linz Institute of Technology (LIT). Es vernetzt als gesamtuniversitäres Institut Forscher unterschiedlicher Fachbereiche. So wird dort etwa zu den Themen künstliche Intelligenz oder Roboterpsychologie geforscht. Unweit von Linz liegt zudem der FH-Campus Hagenberg mit den Schwerpunkten Informatik, Kommunikation und Medien. Wo sich die neue technische Uni in der oberösterreichischen Bildungslandschaft positionieren soll, war vorerst unklar.

Die letzten öffentlichen Uni-Neugründungen betrafen 2004 die Medizinischen Universitäten in Wien, Innsbruck und Graz, die aus ihren jeweiligen Stammunis ausgegliedert wurden. Davor wurde 1995 die Donau-Universität Krems eröffnet. (APA, red, 27.8.2020)