US-Präsident Donald Trump wirft dem Unternehmen vor, Nutzerdaten an die chinesische Regierung weiterzureichen. Belege dafür gibt es nicht.

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Erst im Juni wurde er zum neuen Chef ernannt, nun muss er wieder gehen: Kevin Mayer, zuvor Leiter der Streamingsparte bei Disney, verlässt Tiktok. Das Unternehmen teilte mit, dass der Posten nach den jüngsten Entwicklungen andere Verpflichtungen mit sich ziehen würde. Interimistisch übernimmt Vanessa Pappas, die seit Jänner 2019 bei dem Unternehmen tätig ist und zuvor bei Youtube gearbeitet hat.

Damit meint Bytedance, der Eigentümer der Videoplattform, die vor allem bei jungen Nutzern populär ist, die aktuellen Bestreben der Trump-Regierung, die App in den USA zu verbieten. Tiktok muss bis Mitte September an ein US-Unternehmen verkauft werden, sonst droht dem Geschäft in den USA ein Ende. Das will das Unternehmen tunlichst verhindert. Tiktok ist das erste chinesische soziale Medium, das bei seinen Nutzerzahlen weltweit mit US-Konkurrenten wie Facebook mithalten kann – und es will diese Rolle auch nicht aufgeben. Am Montag hat es eine Klage gegen die US-Regierung eingereicht – diese habe dem Unternehmen keinen fairen Prozess ermöglicht.

Keine Belege

US-Präsident Donald Trump wirft dem Unternehmen vor, Nutzerdaten an die chinesische Regierung weiterzureichen. Belege dafür gibt es nicht. Auch die CIA sah bei einem Bericht an das Weiße Haus keine "Beweise" dafür, dass es einen Zugriff gegeben hätte. Tiktok selbst behauptet, es würde Daten von US-Bürgern nicht in China speichern. Trump hat in dem Dekret, mit dem er das Verbot beschlossen hat, argumentiert, dass Tiktok – und übrigens auch beispielsweise der chinesische Messenger Wechat – eine Bedrohung für die nationale Sicherheit, Außenpolitik und Wirtschaft der Vereinigten Staaten darstelle. Offen ist, wie erfolgreich Tiktok vor Gericht sein wird: Trump bezieht sich auf den International Emergency Economic Powers Act, ein Gesetz, das bei "außerordentlichen Gefahren" dem US-Präsidenten gestattet, den internationalen Handel zu regulieren. Viel beweisen muss er dafür nicht. Auf diese Weise wurde bereits der chinesische Handy-Konzern Huawei verboten, der nun auf Google-Services verzichten muss. Aber selbst wenn Bytedance vor Gericht scheitern sollte, bleibt der Firma womöglich mehr Zeit, um die USA zu verlassen – so zählt es aktuell 1500 US-Mitarbeiter und hatte eigentlich vor, 10.000 weitere anzustellen.

Über 100 Millionen US-Nutzer

In der Klageschrift ging Tiktok auch erstmals auf seinen Erfolg in den USA ein. Über 100 Millionen US-Amerikaner verwenden die App monatlich, 50 Millionen sogar täglich. Anfang 2018 waren es noch elf Millionen US-User, 2019 27 Millionen. Wohl auch deswegen hatte Microsoft ein Auge auf die Videoplattform geworfen. Die Verhandlungen mit der Firma hatten bereits Anfang des Sommers, vor Trumps Ankündigung, begonnen, wurden aber erst dadurch wirklich konkret. Ursprünglich soll Microsoft geplant haben, zuerst nur Anteile zu kaufen und damit dafür zu sorgen, dass Tiktok den Cloudservice wechselt – nämlich von Googles Serverdiensten zu Microsofts Azure-Diensten. Das hätte die App auf einen Schlag zu einem seiner größten Kunden gemacht. Tiktok erhoffte sich über eine Teilübernahme den Aktienwert der Firma zu steigern und durch die Beteiligung eines US-Unternehmens auch das eigene Image in den USA aufzupolieren. Aufgrund der Situation wird nun über eine komplette Übernahme verhandelt. Bis 15. September – am Stichtag des Verbots – sollen die Gespräche abgeschlossen sein. Parallel haben auch Twitter und Oracle Interesse bekundet, letzteres Unternehmen wohl auch aufgrund des Potenzials im Cloudbereich.

Kritik an Tiktok-Trend

Aktuell steht die Videoplattform aufgrund von Inhalten, die den Holocaust verharmlosen, in der Kritik: Bei der "Holocaust Challenge" verkleiden sich vorwiegend jugendliche User als Opfer des Nationalsozialismus. Geschminkt tun sie so, als befänden sie sich im Himmel, und erzählen von ihrem angeblichen Unglück. Die Gedenkstätte Yad Vashem kritisiert das nun als Beispiel der Trivialisierung des Holocausts. Einige Nutzer hatten wohl beabsichtigt, die Aufmerksamkeit für das Leid von Millionen getöteter jüdischer Männer, Frauen und Kinder zu erhöhen. Doch die Veröffentlichung solcher Videos ohne größeren Kontext sei respektlos gegenüber der Erinnerung an die Opfer und die noch lebenden Zeitzeugen, teilte Yad Vashem mit.

Donnerstagabend wurde bekannt, dass sich die US-Supermarktkette Walmart mit dem Softwarekonzern Microsoft zusammentun will, um Tiktok zu übernehmen. Das berichtete der Sender CNBC. Bei Walmart war zunächst keine Stellungnahme zu dem Bericht zu erhalten. (muz, 27.9.2020