Wien – Nach zwei Monaten des Brütens der Arbeitsgruppe im Arbeitsministerium müssen bei Suche und Findung von Regelungen für Heimarbeit doch die Sozialpartner ran. Diese reagierten am Donnerstag positiv und skeptisch zugleich, denn Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat bereits die Richtung vorgegeben, notabene via "Krone" und "Heute". Das Ziel ist nicht weniger als die Modernisierung des Arbeitsrechts, etwa bei den Themen Homeoffice-Ruhezeiten bis hin zur Reform der Pendlerpauschale.

In der Theorie geht Homeoffice leicht von der Hand. In der Praxis gibt es Fallen.
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Die aus dem Kabinett von Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP), der zuständigen Sektion, Arbeitsrechtlern, Unfall- und Arbeitsmedizinern bestehende Arbeitsgruppe hat laut STANDARD-Recherchen neben der Beauftragung einer Umfrage unter 1.500 Arbeitnehmern zum Thema Homeoffice drei große Themenblöcke identifiziert, die jedenfalls modifiziert werden müssen: Arbeitnehmerschutz, Arbeitszeit (und Arbeitsruhe) sowie Aufwandsersatz für die Heimarbeit mit oder ohne vom Arbeitgeber bereitgestellte Betriebsmittel.

  • Arbeitnehmerschutz ist ein großes Thema. Dabei geht es nicht nur um ergonomisch richtige Sessel, Tische und Bildschirme, die der Dienstgeber im Büro grundsätzlich bereitzustellen hat, sondern auch darum, was davon auch im Homeoffice gilt. Tragbare Datenverarbeitungsgeräte etwa, die nicht regelmäßig am Arbeitsplatz eingesetzt werden, sind gemäß ArbeitnehmerInnenschutzgesetz von manchen Bestimmungen der Bildschirmarbeit beispielsweise ausgenommen.
  • Arbeitszeit, Arbeitsruhe Auch bei der Arbeitszeit besteht Regelungsbedarf. Denn der großflächige Einsatz von Telearbeit bringt zwangsläufig eine Umstellung auf "Vertrauensarbeitszeit" mit sich. Der Dienstgeber kann gar nicht kontrollieren, wann der Dienstnehmer in Heimarbeit zu arbeiten beginnt und aufhört. Dabei geht es aber nicht nur um die Kontrolle der geleisteten Arbeitszeit, sondern auch die Einhaltung von Pausen, Mindestruhezeiten und die Höchstzahl der geleisteten Stunden. Wiewohl Österreich wie alle EU-Mitgliedsstaaten grundsätzlich an die EU-Arbeitszeitrichtlinie mit ihrer elfstündigen Mindestruhezeit gebunden ist, fürchten Arbeitnehmervertreter eine Aushöhlung der von Dienstgebern als zu restriktiv kritisierten Leitlinien. Im Tourismus etwa gibt es eine Ausnahme: Bei geteilten Diensten (mit Pausen dazwischen) kann die tägliche Mindestruhezeit eingeschränkt werden.
  • Aufwandsersatz Nahezu ungeklärt ist der Aufwandsersatz, den der Arbeitgeber zu leisten hat für die Benutzung von privatem PC, Laptop, Bildschirm, Drucker samt Zubehör und den Kosten für Internetverbindung sowie den dadurch verbrauchten Strom. "Inwieweit gibt der Arbeitgeber seine Ersparnis an die Arbeitnehmer weiter?", skizziert Arbeitsrechtsprofessor Wolfgang Mazal von der Uni Wien das Problem. Eine Regelung für die Nutzung von Arbeitsgerät müsse jedenfalls angemessen sein, "der Übung des redlichen Verkehrs" entsprechen, sagt Mazal unter Verweis auf §914 ABGB. Er empfiehlt bei Themen wie Homeoffice Betriebsvereinbarungen. Für Betriebe ohne Betriebsrat sollte mit dispositiven Regelungen im Arbeitsverfassungsgesetz vorgesorgt werden. Im Kanzleramt kann man sich eine Weiterentwicklung der Pendlerpauschale zu einer Homeofficepauschale vorstellen, mit der Internetkosten und Betriebsmittel berücksichtigt werden.

Homeoffice anordnen

Die Sozialpartner haben freilich weitere Punkte auf ihrer Agenda. Auf Arbeitgeberseite wünscht man sich beispielsweise, dass Homeoffice angeordnet werden kann, was aktuell nicht möglich ist. Allerdings kam das flächendeckende Von-zu-Hause-aus-Arbeiten ab 16. März einer einseitigen Anordnung schon ziemlich nahe. Kaum ein Arbeitnehmer widersprach, als Dienstgeber angesichts des Shutdowns auf Telearbeit umstellten.

Als völlig unterbelichtet und sträflich vernachlässigt gilt vielerorts das Kernthema Datensicherheit, insbesondere wenn sensible Unternehmensdaten auf privaten Computern bearbeitet und gespeichert werden – da stellt sich nicht nur im Fall von Virenbefall oder eines Hackerangriffs die Frage der Haftung.

Risiko für Arbeitnehmer?

Arbeitsrechtler Michael Gogola von der Privatangestelltengewerkschaft GPA sieht erwartungsgemäß umfangreicheren Regelungsbedarf. Denn Betriebsinhaber könnten bei Homeoffice viel Risiko auf ihre Arbeitnehmer abwälzen. Auch die Abgrenzung zwischen Arbeits- und Freizeit sei bei Heimarbeit deutlich schwieriger. Auch sei bei Arbeitsunfällen der sachliche, zeitliche und örtliche Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit im Homeoffice häufig schwierig festzustellen. Ohne erweiterten Unfallversicherungsschutz (die Corona-Regelung läuft Ende 2020 aus) sei das Vorliegen eines Arbeitsunfalls mitunter schwierig nachzuweisen.

Stoff für Konflikte gibt es ausreichend, denn die Arbeitsministerin wünscht sich via "Kurier" "Flexibilität und mehr Eigenverantwortung", etwa beim Thema Nachtruhe "von Homeoffice-Ende bis Homeoffice-Beginn". Eine Änderung sei hier im Sinne der Arbeitnehmer. Auch Krankenstände sollen "neu gedacht" werden, es gehe da um Anpassung an die Gegebenheiten daheim. (Luise Ungerboeck, 28.8.2020)