Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und Deutschlands Außenminister Heiko Maas beim Treffen der EU-Außenminister in Berlin.

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Ankara/Minsk – "Wir sind gegenüber der Türkei an einem Wendepunkt angelangt", fasste Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) das EU-Außenministertreffen in Berlin am Freitag zusammen. Die Konfrontation im östlichen Mittelmeer und die Lage in Weißrussland hätten alle anderen Krisenthemen dominiert.

"Was in diesem Treffen sehr neu ist: Es war die gemeinsame klare Stimmung im Raum, dass wir an einem Wendepunkt im Verhältnis zur Türkei angekommen sind", sagte Schallenberg der APA. Wörtlich habe es in der Ministerrunde geheißen: "We are at a watershed – Wir sind an einer Wasserscheide."

Auf September geschoben

In dem informellen Treffen seien politische Vorgaben gemacht worden, indem Sanktionen gegen hohe Persönlichkeiten in der Türkei erwogen worden seien. "Wir werden Sanktionen erarbeiten und müssen gegenüber Ankara eine klare Sprache sprechen", sagte Schallenberg. "Wir werden jetzt Sanktionen für das EU-Gipfeltreffen im September vorbereiten und in Angriff nehmen für den Fall, dass es keine Verhaltensänderung der türkischen Seite gibt und die Provokationen so weitergehen."

Man hoffe gleichzeitig noch, dass es Fortschritte gebe. Die Dialogschiene, die vor allem der deutsche Außenminister Heiko Maas verfolge, bestehe weiterhin. "Wir versuchen, mit der Doppelstrategie einen Weg zu finden." Auf dem nächsten EU-Gipfel im September müsse die EU überlegen, "wie wir eigentlich mit der Türkei langfristig verfahren wollen. Wir müssen uns bewusst sein, wie wir künftig mit diesem Partner umgehen. Das wäre schon ein Schritt nach vorne."

Laut dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell seien auch Wirtschaftssanktionen im Gespräch. Zudem kündigte er an, dass die Arbeiten an bereits geplanten neuen EU-Einreiseverboten und Vermögenssperren wegen illegaler Bohrungen vor Zypern beschleunigt und schnell abgeschlossen werden sollen.

Hoffnung auf Dialog

Schallenberg erinnerte an die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei: "Wir haben einen Leichnam, die vor sich hinverwest, nämlich diese Verhandlungen, und gleichzeitig Dialogbedürfnisse. Wir müssen ganz klar machen, dass die EU eine Union der Werte ist und wir uns nicht auseinanderdividieren lassen."

Gleichzeitig versuche die EU einen Dialog zu starten, da auch Zypern und Griechenland Signale gesendet hätten, dass sie natürlich bereit seien, mit der Türkei über Seegrenzen zu reden. "Letzten Endes muss das ja auf dem Verhandlungsweg gelöst werden."

Ankara reagierte jedenfalls auf das Ultimatum. Das Außenministerium warf der EU vor, die Spannungen in der Region noch zu erhöhen. Ankara erwarte, dass die EU in dem Konflikt die Rolle eines "unparteiischen Vermittlers" einnehme, hieß es weiter.

20 Personen in Belarus betroffen

Zweiter Themenschwerpunkt war Weißrussland, auch hier werden gezielte Sanktionen vorbereitet. "Für Weißrussland gibt es einen klaren Warnschuss", nannte es Schallenberg. Gegen knapp 20 hochrangige Persönlichkeiten aus Belarus werden demnach schon in den nächsten Tagen Sanktionen in Angriff genommen. Präsident Alexander Lukaschenko scheint dabei noch nicht auf der Liste zu sein. "Wir behalten uns weitere Schritte vor. Die Sanktionen sind ja kein Selbstzweck, sondern sollen eine Verhaltensänderung herbeiführen", sagte Schallenberg.

"Das sind zwei wesentliche Signalwirkungen, die von Berlin ausgehen", erklärte Schallenberg. Diese Berliner Konferenz sei "eines der dichtesten Treffen" gewesen, die er je erlebt habe. Die Türkei und Weißrussland seien so sehr im Fokus gestanden, dass andere Themen nur am Rande behandelt wurden. Den Libanon und Mali habe der französische Außenminister kurz angesprochen, die Corona-Pandemie sei den anderen Themen zum Opfer gefallen. (APA, 28.8.2020)