Max Zirngast saß mehrere Monate in der Türkei in Haft.

Foto: Robert Newald

Der Fall Max Zirngast ließ in Österreich die Wogen hochgehen. Der steirische Student wurde 2018 in der Türkei verhaftet, weil er im Verdacht stand, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein. Besonders brisant: Auch in Österreich wurde gegen ihn ermittelt, wie im Dezember bekannt wurde. Dabei sind Fehler passiert, entschied nun das Oberlandesgericht (OLG) Graz. Fehler, die Zirngast hätten in Gefahr bringen können.

Was war passiert? Nachdem Zirngast im September 2018 verhaftet wurde, ermittelte auch die Staatsanwaltschaft Graz gegen ihn wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. So weit ist das ein normales Vorgehen, wenn ein Österreicher eine schwere Straftat im Ausland begangen haben soll.

Behörden brachten Zirngast in Gefahr

Doch eine Sache war Zirngast und seinen Unterstützern ein Dorn im Auge: Die österreichischen Behörden schrieben damals in einem Ersuchen an Ankara davon, dass Zirngast auch in Österreich aufgrund der "bisherigen Ermittlungen der österreichischen Kriminalpolizei" im Verdacht stehe, "in der Türkei sich als Mitglied einer terroristischen Vereinigung" betätigt zu haben. Damit habe man Zirngast in Gefahr gebracht, sagen er und sein Anwalt Clemens Lahner – insbesondere wenn man die Willkür türkischer Behörden bedenke, von der Menschenrechtsexperten immer wieder berichten. All das passierte zu einer Zeit, als sie die österreichische Politik quer durch die Parteien für Zirngast starkmachte.

Zirngast legte deshalb Beschwerde beim OLG Graz ein, das ihm nun teilweise recht gab. Zirngast argumentierte damit, dass das Schreiben der Staatsanwaltschaft seine Verfahrensposition in der Türkei hätte verschlechtern und seine Haftdauer verlängern können. "Diese Argumentation überzeugt", heißt es in dem Beschluss, der dem STANDARD vorliegt und vom OLG bestätigt wurde.

Und: Derartige Ermittlungsergebnisse auf österreichischer Seite gab es gar nicht. Tatsächlich stützte sich die Staatsanwaltschaft lediglich auf einen Bericht des Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, dem jedoch "keinerlei verdachtsbegründenden Ansätze entnehmen" werden können.

In dem Entscheid heißt es daher, Zirngasts Rechte seien verletzt worden, indem "die Staatsanwaltschaft in ihrem Rechtshilfeersuchen behauptet, (...) er stehe (auch) aufgrund der bisherigen Ermittlungen der österreichischen Kriminalpolizei im Verdacht, sich in der Türkei als Mitglied an der terroristischen Vereinigung und kriminellen Organisation 'Türkisch-kommunistische Partei – Kivilcim' (TKP-K) beteiligt zu haben, obwohl keine auf eine Beteiligung des Beschwerdeführers an der TKP-K hinweisenden Ermittlungsergebnisse der österreichischen Kriminalpolizei vorlagen".

Hätte über das Verfahren informiert werden müssen

Außerdem, und das ist der zweite Streitpunkt, wurde Zirngast in seinen Rechten verletzt, weil er von den österreichischen Behörden nicht über die Ermittlungen informiert wurde. Er habe nicht die Gelegenheit bekommen, "vom Gegenstand des gegen ihn bestehenden Verdachts sowie über seine wesentlichen Rechte im Verfahren informiert zu werden (§ 49 Z 1 StPO), sich zum Vorwurf zu äußern (§ 49 Z 4 StPO) und die Aufnahme von Beweisen zu beantragen (§ 49 Z 6 StPO)", heißt es in dem Schreiben.

An den geschehenen Ermittlungen ändert das freilich nichts. Von Zirngast heißt es dazu aber gegenüber dem STANDARD, er hoffe, dass er damit einen Präzedenzfall geschaffen habe: "Die österreichische Justiz darf keine Schützenhilfe für die Willkürjustiz in der Türkei liefern."

Staatsanwaltschaft sprach von normalem Vorgehen

Bisher hat die Staatsanwaltschaft Graz stets von einem normalen Vorgehen und von einer "Aufbauschung" desselben gesprochen. Man habe lediglich Unterlagen von der Türkei anfordern und prüfen wollen, ob die Vorwürfe nachvollziehbar seien. Übrigens: Die Türkei antwortete nie auf das Ersuchen. (Gabriele Scherndl, 28.8.2020)