Im Jahr nutzen rund 17 Millionen Menschen die Mariahilferstraße. Sie ist zu einem neuen Stadtzentrum geworden.

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Wien – Eines der umstrittensten Verkehrsprojekte der jüngeren Vergangenheit feiert in Wien Geburtstag: Die Mariahilfer Straße ist seit nunmehr fünf Jahren eine Fußgänger- und Begegnungszone. Dieses halbrunde Jubiläum wurde am Freitag offiziell begangen. Anwesende (Ex-)Politiker sprachen von der immer noch starken Symbolkraft der Neugestaltung, erinnerten aber auch an den "schweren Kampf" im Vorfeld.

Ende Juli 2015 legte die damalige Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) nach einer mehr als eineinhalbjährigen Umbauphase den Schlussstein. Sie hatte das Projekt gegen lautstarke Widerstände – auch des Koalitionspartners SPÖ -, aber mit einer positiv ausgegangenen Anrainerbefragung im Rücken durchgesetzt. Ihre Nachfolgerin, die amtierende Ressortchefin Birgit Hebein (Grüne), zollte der inzwischen ehemaligen und heute nicht anwesenden Parteifreundin bei einem Medientermin dafür Respekt: "Die Mariahilfer Straße hat einen Namen: Maria Vassilakou. Ohne diese starke Frau und ihren Mut würden wir heute nicht hier stehen."

Mehr als 50.000 Menschen täglich

Die vormals durchgängige Autostraße ist seit der Umgestaltung im Kern eine 430 Meter lange Fußgängerzone. Eingefasst wird diese von zwei Begegnungszonen mit einer Länge von 740 bzw. 460 Metern, wo Autos, Radfahrer und Fußgänger gleichberechtigt sind und eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h gilt. Laut Stadt halten sich dort an einem durchschnittlichen Wochentag mehr als 50.000 Passanten auf, im Jahr kommt man auf eine Frequenz von 17 Millionen Menschen.

"Menschen haben den Weltuntergang prophezeit, aber nichts davon ist eingetreten", freute sich Hebein. Vielmehr versteht die Verkehrsstadträtin die Mahü als Trendwende: "Inzwischen liegen zig Projekte für weitere Begegnungszonen am Tisch." Für den Bezirksvorsteher von Mariahilf, Markus Rumelhart (SPÖ), ist die Umgestaltung gar "ein Symbol dafür, wie Stadtgestaltung funktionieren kann". Das habe sich nicht nur bezüglich der positiven Effekte für die Wirtschaft, sondern auch in der Corona-Krise gezeigt. Während die Innenstadt in der Lockdown-Phase leer gewesen sei, habe hier trotzdem aktives Leben stattgefunden: "Die Wienerinnen und Wiener sehen die Mariahilfer Straße als neues Stadtzentrum."

Kaufmann will Idee gehabt haben

Sein Neubauer Pendant Markus Reiter (Grüne) sagte, die verkehrsberuhigte Einkaufsmeile sei der "Nährboden" für das, was er in seinem Bezirk gerade im Kampf gegen Hitzeinseln und Klimawandel in Angriff nehme – in Form von Baumpflanzungen, Kühlelementen und weiteren Begegnungszonen in Mahü-Seitenstraßen.

Mit dabei waren am Freitag auch jene früheren Bezirkschefs, in deren Amtszeit noch die äußerst emotional geführten Debatten im Vorfeld der Neugestaltung fielen. Wobei die frühere Mariahilfer Bezirksvorsteherin Renate Kaufmann (SPÖ) die Geburt des Projekts für sich reklamierte. Sie sei mit der Fußgängerzonen-Idee in den Wahlkampf 2001 gezogen, die Zeit sei damals aber noch nicht reif gewesen. "Mit dem Eintritt der Grünen in die Regierung (2010, Anm.) hat man dann große Konzepte gesucht" und habe sich an "mein Baby" erinnert. Die Beamtenschaft sei davon wenig begeistert gewesen, "die Wirtschaftskammer sowieso nicht", erzählte Kaufmann: "Wir sind oft sehr frustriert nach Hause gegangen. Es war ein ganz harter, schwerer Kampf."

Auch Bezirk nun überzeugt

Neubaus früherer Vorsteher Thomas Blimlinger (Grüne) gab am Freitag zu, anfangs wegen der befürchteten Verkehrsverdrängung in die Nebengasse des 7. Bezirks zu den Skeptikern gehört zu haben: "Die Lösung Fußgänger- und Begegnungszone war dann ein guter Kompromiss." Auch er sprach von einer "schwierigen Zeit", bis die Umsetzung durch war: "Wir wurden oft vorgeführt." Umso mehr zeige die "Mahü", dass es Mut brauche, um gute Projekte zustande zu bekommen. (APA, 28.8.2020)