Trotz Finanzminister Gernot Blümel als Spitzenkandidaten (links), zweifelt die ÖVP Wien – inklusive Stadtrat Markus Wölbitsch (rechts) – an einem Ergebnis von mehr als 20 Prozent, das den Türkisen aber prognostiziert wird.

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15 Prozent wären "ein Erfolg", 18 Prozent "sensationell", mehr als 20 Prozent allerdings "unrealistisch": Das erklärte Bernadette Arnoldner (ÖVP) am Freitag bei einem Hintergrundgespräch in Bezug auf das erhoffte türkise Ergebnis bei der Wien-Wahl 2020. Der Grund für diese Aufzählung: Die Wiener ÖVP vermutet, dass sie in veröffentlichten Umfragen absichtlich überschätzt wird. Es habe gar "System, uns höher einzuschätzen", sagt der nichtamtsführende Stadtrat Markus Wölbitsch. Und mutmaßt, dass "eine Strategie dahintersteckt".

Bei der Gemeinderatswahl 2015 fiel die ÖVP erstmals unter zehn Prozent. Sämtliche aktuellen Umfragen weisen ihr für die Wahl am 11. Oktober ein deutliches Plus aus. Auch eine Umfrage des Linzer Market-Instituts für den STANDARD prognostizierte der Wiener ÖVP Ende Juni rund 25 Prozent. Solche Werte kommen der Partei schon ein wenig absurd vor. Weshalb sie Meinungsforscher Franz Sommer, der seit Jahren Umfragen für die ÖVP macht, auf den Plan rief.

"Große Diskrepanz"

Auch Sommer sieht "eine große Diskrepanz" zwischen dem, was publiziert wird, und eigenen Umfragen. 23 bis 25 Prozent zeichneten sich in den Daten der ÖVP keinesfalls ab. Eine Verdoppelung des Wahlergebnisses von 2015 jedoch "ist drin". Laut ÖVP-Berechnungen erreichen die Türkisen bis zu 18 Prozent. 1.500 Telefoninterviews und 800 Online-Interviews sind Sommers Grundlage für diese Annahme.

Die ÖVP werde in den Umfragen anderer "überschätzt", sagt er. Die SPÖ unter Bürgermeister Michael Ludwig werde hingegen immer "unterschätzt" und legt laut ÖVP auf über 40 Prozent zu.

Grund für Sommer, ein Zahlenspiel zu wagen: 2015 erreichte die SPÖ 39,6 Prozent und gewann damit 44 Mandate. Das ergibt sich dadurch, dass die Grundmandate in den Bezirken "billiger" sind, wie es Sommer nennt, als die Restmandate. Zwar hat sich das Wahlrecht seit 2015 geändert, die Grundmandate sind etwas teurer geworden. Aber Sommer rechnet vor, dass mit 42 Prozent die SPÖ schon auf 45 Mandate kommen würde. Er stellt gar die absolute Mandatsmehrheit der Roten in den Raum. Das ginge aber nur, wenn die SPÖ rund 46 Prozent erreicht und das Team HC den Einzug knapp verpasst.

Das Wahlergebnis anderer wolle Wölbitsch nicht kommentieren, erklärt dieser auf die Frage, ob er befürchte, dass diese Situation tatsächlich eintrete. Jetzt gehe es erst einmal darum, das Maximum für die eigene Partei herauszuholen.

995-mal Türkis

Das Maximum bei den Kandidatinnen und Kandidaten habe man jedenfalls schon erreicht. 995 Personen stehen auf den unterschiedlichen türkisen Wahlvorschlägen. Alle 300 auf dem Stadtwahlvorschlag zu vergebenden Plätze habe man besetzt. Die jüngste Person, die auf einer Liste kandidiert, ist 18, die älteste 81 Jahre alt. Das Durchschnittsalter liegt laut Arnoldner bei 43 Jahren.

Der Wahlkampf läuft aber auch bei der ÖVP offiziell erst im September an. Mitte des Monats werde es den Auftakt geben, verrät Arnoldner – mit einer kleinen Gruppe in der Lichtenfelsgasse, der Großteil werde online via Livestream zugeschaltet sein.

Integration, Verkehr und Corona

Thematisch werden die Türkisen auf Migration und Integration setzen, aber auch Verkehr und Gesundheitspolitik sollen im Wahlkampf eine Rolle spielen. Und auch im Kampf gegen die Corona-Krise wolle man nicht auf "Pop-up-" oder "Gutscheinpolitik" wie Grün bzw. Rot setzen, sagt Wölbitsch. Die ÖVP fordere vielmehr ein Ende der Valorisierung städtischer Gebühren wie jener für die Müllabfuhr oder das Wasser. Auch "skurrile Steuern" sollen abgeschafft werden. Für den nichtamtsführenden Stadtrat ist das etwa die Öffi-Abgabe für Unternehmen pro Mitarbeiter. "Je mehr Mitarbeiter ein Unternehmen hat, desto mehr müssen sie zahlen", kritisiert Wölbitsch. Dabei müsse man doch forcieren, dass so viele Menschen wie möglich weiter beschäftigt bleiben. (Oona Kroisleitner, 29.8.2020)