Der Bildungsminister ist stolz auf sein Projekt. Das kommt nicht überraschend, nimmt aber ein wenig die Evaluierung vorweg, die Heinz Faßmann (ÖVP) abwarten will, bevor er die heuer erstmals bundesweit ausgerollte Sommerschule dann nachhaltig im Bildungssystem verankern will.

Corona bringt viel Unglück und Schrecken, viele unangenehme Beschränkungen, Widrigkeiten und Unsicherheiten in unser Leben. Die Pandemie hat aber auch möglich gemacht, was in Österreich lange undenkbar war: Die Schulen haben offen – in den Ferien!

Am Montag sind die ersten Sommerschulen in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland gestartet, fast 25.000 Kinder wurden österreichweit angemeldet.
Foto: Heribert Corn

Nach dem Aussetzen des Unterrichts im Frühjahr, nach dem vorübergehenden Re-Start mit Schichtbetrieb und strengen Hygieneregeln war relativ schnell klar: Viele Kinder und Jugendliche benötigen Hilfe – nämlich noch mehr, als sie ohnehin schon bräuchten, um im heimischen Bildungssystem voranzukommen.

Eine nicht geringe Anzahl (sogar der Kanzler spricht in einer konservativen Schätzung von sieben Prozent) der Schülerinnen und Schülern hat beim Online-Lernen komplett den Anschluss verloren: weil sie keine Geräte hatten oder diese nicht bedienen konnten; keinen Raum hatten, um in Ruhe zu lernen; niemanden, der sie motivierte und antrieb – und wahrscheinlich noch aus einer Reihe anderer Gründe. Doch selbst wer das virtuelle Klassenzimmer besucht hat, tat und tut sich oft sehr schwer. Im Bildungsministerium wurde also rasch an der Umsetzung eines Plans gearbeitet, der ohnehin bereits im Koalitionspakt mit den Grünen vorgesehen war: die Sommerschulen.

Allein in der Gruppe

Am Montag sind die ersten davon in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland gestartet, fast 25.000 Kinder wurden österreichweit angemeldet. Im Ministerium war man ob des Andrangs überrascht. Deshalb geht auch der Plan mit dem Teamteaching, also einer Doppelbesetzung von Lehramtsstudierenden beziehungsweise von angehenden Pädagoginnen und erfahrenen Lehrkräften, die gemeinsam für eine Gruppe zuständig sind, nicht überall auf. Insgesamt haben sich 1400 Studierende und 1500 Lehrkräfte für die Arbeit in den Sommerschulen gemeldet – damit können also 1450 Gruppen zu zweit bespielt werden. Weil es insgesamt aber 1800 davon gibt, bleiben 350 Lehramtsanwärterinnen wohl großteils allein in der Klasse. Auf Nachfrage im Bildungsministerium heißt es, man könne das so nicht "runterbrechen", allerdings gebe es "manchmal Klassen, wo nicht im Tandem unterrichtet werden kann".

In Wien zum Beispiel. Im Büro von Bildungsdirektor Heinrich Himmer zählt man 8600 Kinder und 600 Lehrkräfte beziehungsweise Studierende, das heißt: "Im Regelfall gibt es bei uns keine Doppelbesetzung."

Vermutlich läuft es trotzdem an vielen Standorten gut. Womöglich könnte es bei einem breiteren Förderansatz aber noch viel besser laufen, monieren Kritiker. Die Richtung, die Minister Faßmann eingeschlagen hat, konzentriert sich allein auf Deutschförderung. Die darf jetzt zwar gerne projektorientiert und beim Mit- und Voneinanderlernen geschehen, aber die Zielgruppe ist relativ eng definiert: Es geht um jene Kinder aus Volksschulen, NMS und AHS-Unterstufen, die Schwierigkeiten mit der Unterrichtssprache haben.

Öffnen für alle

Martina Künsberg, Bildungssprecherin der Neos, befindet: "Nur ein einziges Fach zu unterrichten wird der aktuellen Herausforderung, vor der Kinder, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer stehen, nicht gerecht." Sie wünscht sich "ein Gesamtkonzept mit Ländern und Gemeinden", "ein attraktives Angebot, das allen offensteht und Lernen, Spiel und Spaß verbindet". Damit auch jene Kinder erreicht werden, die weniger mit Deutsch als mit anderen Fächern kämpfen. Auch die personelle Ausstattung der Sommerschulen sei hinterfragenswert.

Ob wirklich junge Menschen mitten im Studium den Kindern am besten weiterhelfen können? Künsberg erinnert daran, dass es immerhin gut ausgebildete Deutsch-als-Fremdsprache-Lehrkräfte oder Deutsch-als-Zweitsprache-Lehrkräfte gebe, die den Spracherwerb professionell anleiten und begleiten könnten. Ähnlich sieht das SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid, die Faßmann "auf der populistischen Linie" wähnt, indem er suggeriere, es gäbe nur bei Kindern mit Migrationshintergrund Bedarf, auch in den Ferien in Übung zu bleiben.

Mittlerweile denkt selbst der Bildungsminister über eine Ausweitung des Angebots nach. Inhaltlich, nicht was die Dauer anlangt, heißt es in seinem Büro. Ob also schon in den Herbstferien an eine Fortsetzung der Sommerschule gedacht ist? Ausgedehnt auf die Bereiche Englisch und Mathematik, wie das die deutschen Nachbarn in Berlin planen? Es werden wohl erst die nächsten Sommerferien werden, signalisiert das Bildungsressort.

Fördern im Herbst

Die Wiener sind hier voraus. Ihr Ganztagsangebot der "Summer City Camps", das sich weniger als verschulte Nachhilfe, vielmehr als Ferienprogramm mit Ausflügen, Workshops oder Schwimmkursen versteht, soll heuer erstmals auch in den Herbstferien stattfinden.

Im Bildungsministerium listet man, gefragt nach weiteren Fördermaßnahmen, die bestehenden Deutschförderkurse und Deutschförderklassen auf.

Eine Neuerung soll es aber jedenfalls geben: Im Fall der Fälle, wenn es doch wieder notwendig sein sollte, ins Distance-Learning zu wechseln, dann sollen jene Schülerinnen und Schüler, die nicht mehr für ihre Lehrkräfte erreichbar waren, trotzdem an die Schulen geholt werden. Wie genau diese Regelung aussehen soll, ob die Pädagoginnen und Pädagogen mit Nachdruck zur Anwesenheit motivieren werden oder ob es für einzelne eine Art Anwesenheitspflicht auch bei roter Corona-Ampel gibt? Noch gibt es dazu keine näheren Auskünfte. (Karin Riss, 29.8.2020)