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Eigentlich ist es ein No-Go, das Weiße Haus als Wahlkampfbühne zu nutzen. Doch Donald Trump hat sich noch selten an Konventionen und Traditionen gehalten.
Foto: AP / Alex Brandon

Es war am Dienstag, als Larry Kudlow die Epidemie für beendet erklärte – zumindest was die USA betrifft. Er saß vor einem Bücherregal, helles Holz, sehr aufgeräumt. Um der Arbeitszimmeratmosphäre etwas Staatstragendes zu geben, hatte er eine Flagge mit dem Adlerwappen in die Ecke gestellt.

Kudlow, ein jovialer Typ, war Chefökonom der Investmentbank Bear Stearns, bevor diese in die Pleite rutschte. Dann kommentierte er bei CNBC das ökonomische Geschehen, heute ist er Wirtschaftsberater im Weißen Haus. Zugeschaltet beim Parteitag der Republikaner, sprach er über die Pandemie: "Es war furchtbar, Not und Leid waren überall."

Er wählte die Vergangenheitsform, an einem Tag, an dem in den USA 46 393 Neuinfektionen und 1 239 Corona-Tote gemeldet wurden. Man konnte es für einen Versprecher halten, was es aber nicht war. Die Corona-Krise mit all ihren Folgen, Kudlow stellte sie tatsächlich als eine Sache der Vergangenheit hin. Überwunden, sofern Donald Trump auch in den nächsten vier Jahren regiere und man das Ruder nicht Joe Biden überlasse, der das Land mit einer Steuererhöhungsorgie in den Ruin treiben würde.

Ein Halleluja auf Trump

Am Donnerstagabend dann, als der Präsident an der Reihe war und 70 Minuten lang redete, sollte allein schon die Optik triumphale Rückkehr zur Normalität vermitteln. Von den 1500 geladenen Gästen, die sich auf dem Südrasen seiner Residenz versammelt hatten, trug kaum einer eine Maske. Abstandsregeln galten nicht mehr, die Leute saßen Schulter an Schulter. Hinterher sang ein Opernsänger "Halleluja!".

Man konnte den Eindruck gewinnen, als sei die Epidemie auf dem Planeten Trump bereits Geschichte, als gehe der Blick nur noch nach vorn. So ähnlich hatte es, zum Auftakt der Konferenz, schon Kimberly Guilfoyle herausgeschrien. Früher beim Sender Fox News beschäftigt, ist sie mit Donald Trump junior liiert, dem ältesten Sohn des Präsidenten. Sie rief am Ende einer ansonsten dystopischen Rede sehr, sehr lautstark in die Halle, in der sich außer Kameraleuten und Tontechnikern kein Mensch befand: "The best! Is yet! To come!"

Kimberly Guilfoyle schreit ihre Begeisterung für den US-Präsidenten heraus.
Foto: EPA

Pompöse Inszenierung

Das Mellon Auditorium ist einer dieser Säulenpaläste an der National Mall, der Prachtmeile Washingtons, die an das alte Rom, das antike Athen denken lassen. Trump hatte es für sie ausgewählt, um der bescheidenen Bühne in einer dunklen Kongresshalle, in der Biden in der Woche zuvor aufgetreten war, etwas Prächtiges entgegenzusetzen.

Trump versteht als Star der Reality-TV-Serie "The Apprentice" etwas von Inszenierung. Sein Parteitag wurde denn auch zu einer Show, die nur wenig mit der Politik zu tun hatte, für die er seit dreieinhalb Jahren steht. Der Präsident, das konnte man Abend für Abend sehen, will in diesem Wahlkampf auf keinen Fall nur der Champion weißer Männer sein – der älteren wie auch der Malocher im Rust Belt, deren Abstiegsängste er sich 2016 zunutze machte und noch schürte.

Nein: Er will auch schwarze und braune Amerikaner ansprechen, auch Frauen, unabhängig von der Hautfarbe, und obendrein Einwanderer. Leute, die er bisher immer wieder vor dem Kopf stieß. Dieser Parteitag wirke auf sie, als sollte das kollektive Gedächtnis ausgelöscht werden, kommentierte Mary Lea Trump, die Nichte, die in einem Bestseller einen Blick hinter die Kulissen der Familie Trump wirft.

Am deutlichsten wurde das am Dienstag, als der Mann, der eine restriktivere Einwanderungspolitik betreibt als alle seine Amtsvorgänger, überraschend das Zepter einer Einbürgerungszeremonie übernahm. Von den fünf Migranten, die in seinem Beisein der neuen Heimat, deren Staatsbürger sie nunmehr wurden, die Treue schworen, stammten zwei aus Ländern, über die Trump unter dem Sammelbegriff "shithole countries" die Nase gerümpft hatte: aus Ghana und dem Sudan, während die anderen aus Bolivien, dem Libanon und Indien immigriert waren. Neimat Awadelseid, die Sudanesin, erzählte, sie habe erst wenige Minuten zuvor erfahren, dass der Präsident erscheinen würde. Dass ein Video der Feier auf dem Parteitag gezeigt würde, habe ihr keiner gesagt.

Trump, der Frauenfreund?

Zur Weichzeichnung sollten auch die vielen Kurzfilme beitragen, die die Regie immer wieder einstreute. Mehrere erinnerten an die Suffragetten, die das Frauenwahlrecht erkämpften. Passend dazu äußerten sich Mitarbeiterinnen aus Trumps Beraterstab in den höchsten Tönen über einen Chef, der Frauen fördere, wo er nur könne. Auffallend auch, wie oft schwarze Amerikaner zu Wort kamen, allerdings fast ausnahmslos Männer. Alle mit der Aufgabe betraut, das Bild eines Präsidenten zu korrigieren, der weiße Überlegenheitsfanatiker einst auf eine moralische Stufe mit deren Gegendemonstranten stellte.

Er habe schon oft genug Erfahrungen mit Rassismus machen müssen, sagte Ex-Footballprofi Herschel Walker, und er wisse genau: "Donald Trump ist kein Rassist." Daniel Cameron, Generalstaatsanwalt von Kentucky, zitierte Joe Biden: Der hatte einen Radiokommentator mit dem Künstlernamen Charlamagne Tha God angefahren, wer als Schwarzer nicht Demokraten wähle, der sei nicht schwarz. "Herr Vizepräsident, schauen Sie mich an, ich bin schwarz", entgegnete Cameron. "Wir sind nicht alle gleich. Ich bin nicht in Ketten. Meine Gedanken sind frei. Und Sie können mir nicht vorschreiben, wenn ich zu wählen habe."

Schwarze Zeitzeugen

Zur besten Sendezeit eingeblendet wurde auch Clarence Henderson: ein 79-Jähriger, der sich als Student in Greensboro, North Carolina, an den Tresen eines Imbissrestaurants setzte, an dem Schwarze damals, 1960, nach den Regeln der Rassentrennung nicht sitzen durften. Der "Lunch Counter Protest" von Greensboro ging als Sternstunde zivilen Widerstands in die Annalen der Bürgerrechtsbewegung ein. Und auch Henderson, schon lang Republikaner, hatte nur Gutes über Trump zu sagen.

Ivanka Trump räumt ein, dass ihr Vater mitunter schwierig sei, "aber die Ergebnisse sprechen für sich".
Foto: imago

Am Schlusstag dann unternahm Ivanka Trump den schwierigen Versuch, ihren Vater all jenen zu erklären, die sich an seinen Twitter-Tiraden reiben. Sein Kommunikationsstil, räumte sie ein, sei nicht jedermanns Sache, seine Tweets kämen manchmal ziemlich ungefiltert daher. "Aber die Ergebnisse, die Ergebnisse sprechen für sich." Der Schein trügt, sollte das heißen. Donald Trump sei nun einmal ein ungeduldiger Praktiker, dem bisweilen angesichts endloser Debatten der Geduldsfaden reiße.

Warnung vor Biden

Die bei solchen Anlässen ungewöhnlich lange Rede, die der ungeduldige Praktiker zum Schluss hielt, bevor ein Feuerwerk seine Kandidatur feierte, hat den viertägigen Versuch, sein Image zu glätten, allerdings weitgehend konterkariert. Neben Eigenlob ging es allein um die düstere Warnung vor dem Gegner. Unter Präsident Biden würde die Polizei kaputtgespart, wenn nicht aufgelöst, die Steuern dramatisch erhöht, Städte und Vorortsiedlungen der Anarchie preisgegeben, orakelte Trump. In Peking würde man frohlocken, denn bei Biden liefe es auf "made in China" hinaus, nicht auf "made in the USA".

Biden behaupte, er sei ein Verbündeter des Lichts, doch mit seiner Agenda lasse er die Wähler im Dunkeln tappen. Mit Absicht, denn seine Politik werde von der radikalen Linken bestimmt. In Wahrheit sei er ein trojanisches Pferd für den Sozialismus. "Joe Biden ist nicht der Retter von Amerikas Seele. Er ist der Zerstörer amerikanischer Jobs, und wenn er die Chance bekommt, wird er der Zerstörer amerikanischer Großartigkeit sein." (Frank Herrmann aus Washington, 28.8.2020)