Am Montag beginnen in New York die US Open im Tennis. Bei den Männern ist Dominic Thiem als Nummer zwei gesetzt, er trifft zum Auftakt auf den Spanier Jaume Munar. Dennis Novak bekommt es mit dessen Landsmann Alejandro Davidovich Fokina zu tun. Haas spielt gegen die ehemalige Weltranglistenerste Viktoria Azarenka aus Weißrussland. All das vor leeren Rängen in Flushing Meadows.

Seit Jänner 2017 ist Barbara Haas Österreichs beste Tennisspielerin. Im vergangenen Februar erreichte sie mit Platz 133 ihr bis dato bestes Karriere-Ranking.
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STANDARD: Wie erlebten Sie den Moment, als die Corona-Pandemie Ihnen die Arbeitsgrundlage entzog?

Haas: Es war eine Katastrophe. Ich war in Indian Wells, als plötzlich die Bombe platzte und alles abgesagt wurde. Ich bin in eine neue Welt eingetaucht. So lange war ich schon ewig nicht mehr daheim.Für mich war es unvorstellbar, dass die US Open tatsächlich stattfinden. Selbst während des Flugs nach New York war ich mir noch nicht sicher. Mich überrascht nichts mehr.

STANDARD: Während der Pause entstand eine Grundsatzdebatte über die Preisgeldverteilung. Sollten mehr Profis von Tennis leben können?

Haas: Die Topspieler verdienen sehr gut, das ist auch in Ordnung. Sie sind Botschafter des Tennis. Mich stört etwas ganz anderes. Auf der zweithöchsten Ebene, der ITF-Tour, ist es unmöglich, Geld zu verdienen. Scheide ich in der ersten Runde aus, bekomme ich so gut wie kein Geld. Sollte ich das Turnier gewinnen, steige ich immer noch mit einem Minus aus, weil ich mit Trainer anreise. Das sollte nicht sein.

STANDARD: Darf man fragen: Wie können Sie sich das leisten?

Haas: Bei Grand Slams gibt es mehr Preisgeld. Ohne sie wäre es unmöglich, das Tennisjahr zu finanzieren. Ich werde von Verband und Sponsoren unterstützt. Wenn ich den Sprung in die Top 100 schaffe, wäre ich auf solch eine Hilfe nicht mehr angewiesen, momentan schon.

STANDARD: Haben Sie einen Verbesserungsvorschlag?

Haas: Es wäre gut, wenn Spielerinnen auf kleineren Turnieren eine Unterkunft zur Verfügung gestellt bekämen. Bei den Männern ist das bei Challenger-Turnieren fast durchgehend der Fall.

Seit 2013 arbeitet Haas mit Trainer Waber.
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STANDARD: Wie ist das bei den US Open?

Haas: Hotelzimmer für Spielerinnen werden bezahlt, aber nicht für den Trainer. Normalerweise reise ich zu jedem großen Turnier mit Jürgen Waber, diesmal aber nicht.

STANDARD: Warum?

Haas: Er hat keine Ausnahmegenehmigung mehr für die Einreise in die USA bekommen. Ich habe aber keine Sorge vor dem Alleinsein. Es sind andere Österreicher da. Jürgen Melzer zeigte sich schon hilfsbereit.

STANDARD: Wann begannen Sie eigentlich, Tennis zu spielen?

Haas: Mit fünf. Ich habe sportliche Geschwister. Meine ältere Schwester Patricia spielte auch erfolgreich Tennis, bei mir war aber die Leidenschaft größer. Mein Bruder Eduard ist Fußballer, er spielt in der Akademie in Salzburg und im Jugend-Nationalteam.

STANDARD: Was fasziniert Sie dabei?

Haas: Die Vielseitigkeit. Man muss in vielen Bereichen gut sein, gleichzeitig führen mehrere Wege zum Erfolg. Jede Spielerin zeichnet etwas anderes aus.

STANDARD: Sie feierten schon in jungen Jahren Erfolge, waren etwa im Alter von 14 Jahren die Nummer eins in Europa.

Haas: Das garantiert aber keinen Erfolg im Erwachsenentennis.

STANDARD: Aktuell sind Sie die Nummer 139 der Weltrangliste. In diesem Bereich waren sie allerdings auch schon vor vier Jahren. Was macht es so schwer, noch weiter nach oben zu kommen?

Haas: Durch die frühen Erfolge wuchs die Erwartungshaltung. Ich wurde mit Wunderkindern verglichen. Das verzerrt aber die Realität. Ganz wenige schaffen es später wirklich an die Spitze. Diejenigen, die mit dem Tennis aufhören, kennt die Öffentlichkeit nicht. Ich bin kein Wunderkind.

STANDARD: Sondern?

Haas: Eine normale Profispielerin, deren Karriere viel Auf und Ab hat. Man kann nicht einen Dominic Thiem als Basis nehmen und seine Erfolge erwarten. Es gibt auch andere Wege an die Spitze. Man braucht einen großen Willen und Durchhaltevermögen. Ich bräuchte bei einem großen Turnier ein richtig gutes Ergebnis. Im halben Jahr vor dem Corona-Lockdown fühlte ich mich so gut wie noch nie.

STANDARD: Bei den US Open 2016 spielten Sie ihr bisher einziges Major. Stellten Sie sich seither einmal die Sinnfrage?

Haas: Es war damals der schönste Moment in meiner Tenniskarriere. Mein Traum war es, regelmäßig dabei zu sein, ich musste aber immer wieder in die Qualifikation. Es gab Momente, in denen ich mich fragte, ob ich nicht besser den Hut drauf schmeißen soll. Ich bin froh, dass ich ein gutes Umfeld habe, das an mich glaubt.

STANDARD: Vier Jahre lang hatte Österreich keine Frau im Einzel eines Grand-Slam-Hauptfelds. Woran hakt es?

Haas: An drei Stellen. Ich sehe ganz wenige Kinder, die mit Ehrgeiz trainieren. Genauso gibt es kaum Trainer, die Kindern die Leidenschaft zum Tennis vermitteln. Und immer weniger Eltern wollen eine Profikarriere unterstützen. Insgesamt steht das Damentennis in Österreich gar nicht gut da. Grundsätzlich geht in Österreich jede ihren eigenen Weg. Das ist vielleicht egoistisch, aber das braucht es im Einzelsport auch. Sonst schafft man es nicht.

STANDARD: In der ersten Runde wartet die ehemalige Weltranglistenerste Viktoria Azarenka. Überwiegt der Respekt oder die Vorfreude?

Haas: Sie ist eine Topspielerin. Es ist eine harte erste Runde, aber ich habe nichts zu verlieren.

STANDARD: Naomi Osaka sorgte mit ihrem Protest für eine Spielabsage. Wie haben Sie das mitbekommen?

Haas: Ich finde ihren Einsatz bemerkenswert, ebenso wie jenen von Coco Gauff, die in den letzten Wochen ihre Stimme erhob. Es ist furchtbar, was in den USA los ist. Ich kann nur hoffen, dass sich die Lage in Zukunft bessert. (Lukas Zahrer, 28.8.2020)