Vierhundertfünfzehn Millionen Quadratmeter hat die Stadt Wien an Fläche, und 36 davon sorgen seit einigen Wochen für mehr Aufsehen als der Rest. Die Kleinstimmobilie ist länglich, blau, mit 50 Kubikmeter chloriertem Wasser gefüllt und liegt inmitten des meistbefahrenen Straßenabschnitts der Stadt – am Neubaugürtel beim Westbahnhof.

Seit seiner Eröffnung am 8. August sorgt der Gürtelpool für heftige Diskussionen in sozialen Medien, an Stammtischen und sogar innerhalb von Familien. Der Plan, dass der Pool nach seiner Schließung am Sonntagabend mit den übrigen Einrichtungen der "Gürtelfrische West" in den Auer-Welsbach-Park gegenüber dem Schloss Schönbrunn übersiedeln sollte, zerschlug sich am Freitagabend. Laut "Krone" fehle es am dafür notwendigen Geld. Gerhard Zatlokal (SPÖ), Bezirksvorsteher des 15. Bezirks, bestätigt dies und zeigt sich enttäuscht: "Es ging ja nicht darum, Autofahrer in Rage zu bringen, sondern es wäre auch ein Projekt für Familien gewesen". Das wird nicht das Ende der Debatte über das Pop-up-Projekt der Bezirke Neubau und Rudolfsheim-Fünfhaus sein.

Die Gürtelfrische West bietet mehr als nur das Becken.
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Schon im Vorfeld hatten Gegner vor einem Verkehrskollaps gewarnt, wenn die Kreuzung des Gürtels mit der Felberstraße teilweise gesperrt wird. Der blieb allerdings in der Urlaubszeit aus. Danach wurde die mickrige Beckengröße bemäkelt – neun mal fünf Meter misst es, 1,40 ist es tief, sechs Personen dürfen jeweils hinein, und für einen Erwachsenen gehen sich gerade sechs Tempi bis zum Anstoßen aus – sowie die Kosten für das Projekt. Könnten 150.000 Euro nicht besser verwendet werden? Überhaupt sei das nur billiger – Pardon, teurer – grüner Aktionismus vor der Wiener Wahl.

Die Gürtelfrische West bietet mehr als nur das Becken: Kunstrasen, Liegestühle, eine Holzbühne und einen Bus, in dem Familien übernachten können. Aber ohne den Pool hätte sie nie so viel Aufmerksamkeit erhalten. Wenn die grüne Vizebürgermeisterin Birgit Hebein damit ein Zeichen für ein neues Stadtgefühl setzen wollte, dann ist ihr das wohl gelungen.

An die 10.000 Menschen gingen in den drei Wochen baden und ließen sich weder vom Verkehrslärm noch von den vorbeiflitzenden Radlern den Spaß verderben. Wegen des Andrangs wurden die Öffnungszeiten nach einer Woche um eine Stunde am Tag verlängert; da das Bad eine Aufsicht braucht, stiegen auch die Kosten. Vor allem für Kinder aus dem 15. Bezirk, dem ärmsten in Österreich, war der Pool ein Lichtblick.

Warum nicht gleich ein Kinderfreibad, das es an dieser Stelle schon in den 1930er-Jahren gab, fragen sich viele – und rennen bei Hebein offene Türen ein. Vielleicht erlebt ja die Lache eines Sommers doch noch eine Neuauflage. (Eric Frey, 28.8.2020)