Die Polizeipräsenz ist seit der Auflösung des Bundesstaates Jammu und Kashmir 2019 massiv.

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Srinagar – Im indischen Teil der territorial umstrittenen Unruheregion Kaschmir sind Sicherheitskräfte nach Angaben von Augenzeugen mit Gewalt gegen muslimische Gläubige vorgegangen und haben dabei dutzende Menschen verletzt. Der Augenzeuge Jafir Ali sagte der Nachrichtenagentur AFP, Soldaten hätten am Samstag mit Schrotflinten auf die Teilnehmer einer Prozession anlässlich des heiligen islamischen Monats Muharram geschossen.

Auch Tränengas sei eingesetzt worden. Die Prozession habe in der Gegend um Bemina am Rande der Stadt Srinagar begonnen, sagte Ali. Die Polizeipräsenz war demnach sehr hoch. Die Sicherheitskräfte hätten die Prozession gewaltsam aufgelöst und dabei etwa 40 Menschen verletzt. Nach Angaben des Gläubigen Iqbal Ahmad war die Prozession zuvor friedlich verlaufen. Auch Frauen hätten daran teilgenommen.

Prozessionen für Fastenmonat

Einem Arzt aus einer nahegelegenen Klinik zufolge erlitten etwa 25 Menschen Schusswunden. Etwa ein Dutzend Verletzte sei in andere Krankenhäuser verlegt worden, in denen eine "modernere Behandlung" möglich sei, sagte der Arzt.

Die Polizei bestätigte die Auflösung der Prozession. Angaben zur Zahl der Verletzten machte sie nicht.

Bereits in den vergangenen Tagen hatten gläubige Muslime in Kaschmir versucht, Prozessionen anlässlich des heiligen Monats Muharram abzuhalten. Mehrere Menschen wurden dabei festgenommen, weil sie gegen die indische Zentralregierung gerichtete Parolen riefen. Nach Polizeiangaben wurden einige von ihnen wegen Terrorvorwürfen angeklagt. Am Donnerstag verhängten die Behörden erneut eine Ausgangssperre für Kaschmir, um weitere Prozessionen zu verhindern.

Sonderstatus aufgehoben

Kaschmir ist seit der Unabhängigkeit Britisch-Indiens und einem Krieg zwischen Indien und Pakistan 1947 geteilt. Die Region wird aber bis heute sowohl von Indien als auch von Pakistan vollständig beansprucht. Seit 1989 kämpfen mehrere muslimische Rebellengruppen teils für die Unabhängigkeit Kaschmirs, teils für den Anschluss der Region an Pakistan. Ein Kaschmirs gehört zu China, auch hier gibt es einen Konflikt mit Indien.

Im August vergangenen Jahres hatte Neu Delhi den in der Verfassung festgelegten Sonderstatus mit Autonomierechten für den indischen Teil Kaschmirs aufgehoben, was in der muslimischen Bevölkerung Indiens sowie im Nachbarland Pakistan zu massivem Protest führte. Ein Teil des Protestes in der Region wurde durch ein massives und wochenlanges Internet-Blackout bekämpft, weshalb es vom genauen Ablauf des Geschehens auch noch immer keine gesicherten Informationen gibt. Zudem hatte Delhi zahlreiche Politikerinnen und Politiker festnehmen lassen, darunter Oppositionelle, aber auch solche, die zuvor als gewählte Volksvertreter der Geschäfte des Bundesstaates geführt hatten. (APA, red, 30.8.2020)