Die Schultüte ist zum Glück kein Muss, auch wenn sie vielerorts ein kostspieliges Gimmick zum Schulanfang wurde. Aber auch "nur" die gefüllte Schultasche verursacht hohe finanzielle Belastungen.

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Das Coronavirus hat vieles im Schulbetrieb verändert, etwas wird aber auch heuer sein wie in den Jahren davor: Die Schule geht ganz schön ins Geld. Oder wie Diakonie-Sozialexperte Martin Schenk mit Verweis auf rund 300.000 Kinder und Jugendliche, die in einkommensarmen Haushalten leben, warnt: "Ein guter Start am Schulanfang wird sich für viele Kinder heuer nicht ausgehen." Eltern klagten über die oft nicht mehr leistbaren Beiträge. Ein "einfaches Startpaket" für Schulanfänger koste zwischen 100 und 300 Euro.

Das ist aber bei weitem nicht alles. Dabei ist der Schulbesuch in Österreich an sich unentgeltlich. Zumindest in öffentlichen Schulen gilt "Schulgeldfreiheit". Was aber eben nicht heißt, dass Schule nichts kostet. Evelyn Kometter, die Vorsitzende des Verbandes der Elternvereine an öffentlichen Pflichtschulen, kann es beziffern. Eltern von Volksschulkindern müssen im Schnitt pro Kind und Schuljahr 461 Euro extra zuschießen, im höheren Schulbereich sind es sogar um die 1.488 Euro – also im Schnitt 857 Euro.

Teure Kopien statt Schulbücher

Hauptkostenfaktor sind neben Schulveranstaltungen die Kopierkosten. "Diese Kosten sind enorm gestiegen", sagt Kometter zum STANDARD: "Durch die fehlende Indexanpassung des Schulbuchlimits wird viel Unterrichtsmaterial kopiert. Das macht schnell pro Jahr an die 120 Euro pro Kind aus und ist für viele Familien, vor allem mit mehreren Kindern, eine enorme finanzielle Belastung." Die Kosten variieren auch je nachdem, ob das Kind eine Laptopklasse besucht oder Schulschwerpunkte Extraausgaben erfordern. Dafür können pro Kind in einer Neuen Mittelschule schon einmal 1.790 Euro (exklusive Kopierkosten) pro Jahr privat fällig werden.

Das Geld, das von den Eltern aufgebracht werden muss, falle auch an für Skikurse, Schulwochen, Theaterbesuche, Sprachkurse oder Fahrten in Berufsbildungszentren, listet Kometter exemplarisch auf. Sie räumt ein, dass es zwar den "Familienbonus Plus" gebe, "aber der fängt nicht alles auf. Und gerade Eltern, die weniger verdienen, können diesen Steuerabsetzbetrag in der Höhe von 1.500 Euro pro Kind und Jahr bis zum 18. Lebensjahr des Kindes gar nicht geltend machen."

Elternvereine müssen aushelfen

Kometter hat noch zwei weitere Zahlen, die illustrieren, wie oft die schulischen Zusatzkosten Familien finanziell so strapazieren, dass sie Hilfe brauchen. 2019 haben die Pflichtschulelternvereine aus den Elternbeiträgen (je nach Schulstufe zwischen acht und 25 Euro pro Jahr und Kind, gibt es Geschwister, ist nur für eines zu zahlen) bundesweit 2,2 Millionen Euro "dazugezahlt, damit Kinder an Schulskikursen teilnehmen konnten, und für Schulwochen wie die Wien-Aktion, Sprach- oder Projektwochen weitere 1,9 Millionen Euro. Da wird für einzelne Härtefälle auch der gesamte Betrag gezahlt, damit diese Kinder mit der Klasse verreisen können." Heuer dürften auch noch Corona-bedingte Stornokosten an den Eltern hängenbleiben, fürchtet Kometter. All diese kontinuierlich gestiegenen Kosten überfordern viele Familien.

AK-Schulkostenstudie läuft an

Ein Trend, den auch die Arbeiterkammern (AK) kritisieren. Acht (alle bis auf Oberösterreich) wollen mit dem Forschungsinstitut Sora durch die Schulkostenstudie 2020/21 neue, fundierte Daten über die tatsächliche finanzielle Belastung erheben. Eltern von Schulkindern – egal, welches Alter und welche Schule – können sich noch bis 30. September auf der Internetseite www.schulkosten.at anmelden und müssen dann ein Jahr lang alle Schulkosten, die ab 1. September für ihre Kinder anfallen, dokumentieren. Von der Schultasche über Hefte, Stifte, Tablets, Haus- und Sportschuhe, Turnkleidung, Kochschürzen, Kosten für Klassenfotos bis hin zu karitativen Sammlungen, Ausflügen, Nachhilfe sowie Skikurs und Sprachreisen.

Schon vor fünf Jahren hat die AK auf diesem Weg ermittelt, wie viel die Schule die Familien kostet. Basis waren Aufzeichnungen von 1.294 Familien mit insgesamt 2.123 Schulkindern in Wien, Niederösterreich, Tirol, Salzburg und dem Burgenland – die Ergebnisse ähneln den Werten, die die Elternvereine nennen.

Im Schnitt 855 Euro pro Kind und Schuljahr

Damals bei der Erhebung 2015/16 kam ein Durchschnittsbetrag von 855 Euro im Jahr über alle Schulformen heraus. Je "höher" die Schule, umso höher die Kosten. Lagen sie für die Volksschule im Schnitt pro Jahr bei 522 Euro, schlug der Besuch der AHS-Oberstufe mit rund 1.300 Euro "Schulgeld" im Jahr zu Buche.

Foto: APA/AK-Schulkostenstudie 2015/16

"Für viele Familien sind das enorme Hürden. Das muss sich ändern", sagt AK-Präsidentin Renate Anderl dem STANDARD: "Hier geht es um Gerechtigkeit für die Schülerinnen und Schüler. Denn aus unserer letzten Umfrage wissen wir, dass rechnerisch ein Kind pro Klasse nicht in die Wunschschule aufsteigen kann, weil sich die Eltern die Zusatzkosten nicht leisten können." Der Erfolg der Kinder dürfe aber nicht vom Geld der Eltern abhängen.

Chancenindex soll helfen

Ein sinnvolles Instrument zur "Schulentwicklung in Corona-Zeiten, wo viele Probleme wie unter dem Vergrößerungsglas sichtbar wurden", gäbe es mit dem Chancenindex ja, sagt AK-Bildungsexperte Dominik Pezenka. Im türkis-grünen Regierungsprogramm findet sich dazu auch eine Absichtserklärung, 100 sozioökonomisch benachteiligte Schulen mit zusätzlichen Ressourcen auszustatten: "Aber das reicht nicht. Wir wünschen uns eine Ausweitung auf 500 Schulen und dabei eine Konzentration auf Volksschulen", sagt Pezenka, denn: "Volksschulkinder sind im Lockdown mit digitalem Unterricht noch schwieriger zu erreichen gewesen, und von mehr Ressourcen in der Volksschule profitieren dann auch alle nachgelagerten Schulen."

Auch Martin Schenk von der Diakonie setzt stark auf den Chancenindex, warnt aber ebenfalls: "Hundert teilnehmende Schulen – das bedeutet, dass nur jede elfte Pflichtschule mit großen Herausforderungen berücksichtigt wird. Und selbst wenn sich das Pilotprojekt der Regierung nur an Volksschulen richten würde, könnte nur jeder vierte Volksschulstandort in Österreich teilnehmen." Das aber reiche nicht, um die spezifischen Folgen der Corona-Homeschooling-Phase abzufedern. Vielmehr drohe ohne akute schulpolitische Interventionen der "programmierte Chancentod". (Lisa Nimmervoll, 31.8.2020)