Die Wiener Karlskirche bot am Samstagabend den stimmungsvollen barocken Hintergrund einer Kundgebung gegen die von den Veranstaltern geortete "Corona-Diktatur", an der mehrere hundert Menschen teilnahmen.

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Wien – Auch in Wien gibt es "Querdenker". Und auch in der Bundeshauptstadt plante man, bei einer Demonstration am Samstagabend "bis zu 15.000 Menschen vor Ort aus dieser ,Corona-Diktatur‘" zu befreien, wie es in einer Presseaussendung von Donnerstagnachmittag formuliert wurde. Dass sich im Resselpark vor der Karlskirche Menschen versammelt haben, um Rednerinnen und Redner zum bunten Themenmix "Impfzwang", "5G", "Lügenpresse" und juristische Sicht auf die Corona-Maßnahmen zu hören, steht fest. Bei der Frage, wie viele es waren, gehen die Meinungen, wie so oft, auseinander.

Die Austria Presse Agentur berichtete Samstagabend unter Berufung auf die Veranstalter von 3000 Teilnehmenden. Barbara Gass von der Pressestelle der Wiener Polizei kann das am Sonntagmittag nicht bestätigen. Schon bei der Anzeige der Kundgebung sei der Veranstalter von 400 bis 500 Teilnehmern ausgegangen, sagt sie. Bei der Exekutive meint man, dass es im Endeffekt 400 Menschen gewesen seien.

Strafrechtlich nichts Relevantes bemerkt

Alles sei friedlich verlaufen, es habe keinen Grund für einen Einsatz der Uniformierten gegeben. Auch beim Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung heißt es, es seien keine strafrechtlich relevanten Äußerungen oder Handlungen registriert worden.

Ruft man Martin Rutter, einen der beiden Pressekontakte der Demonstration, an, bekommt man keine konkrete Zahl. Dafür aber einen Tipp: Es gebe im Internet Videoaufnahmen von der Veranstaltung, man könne also selbst zählen. Er habe das gemacht, und bleibe bei der Einschätzung, es seien "tausende" Menschen gewesen.

Eine Überprüfung ist zumindest auf Rutters Facebook-Seite schwierig: Es gibt zwar Schwenks über den Resselpark, allerdings ist die Tiefenschärfe so schlecht, dass es unmöglich ist, zu erkennen, wie tief gestaffelt die Personen stehen. Optimistisch geschätzt sind 1000 Teilnehmer aus ganz Österreich möglich.

Sprecher als umtriebiger Politaktivist

So genau scheint es Rutter, der bei der Veranstaltung auch als Moderator auftrat, mit Zahlen aber nicht zu nehmen. In dem Video ist zu hören, wie er auf Aufforderung eines Ordners ruft: "Es sind – wahrscheinlich– mehrere Millionen Menschen in Wien, äh, Berlin!" Aus dem Gesamtkontext kann man schließen, dass der Kärntner, der bereits für die Grünen, das Team Stronach, Team Kärnten und das BZÖ politisch aktiv gewesen ist, nicht die Einwohnerzahl der Stadt meint, sondern die Teilnehmer an der Querdenken-Demo.

Deren Auflösung sei in Österreich so wie in Deutschland übrigens nicht möglich, betont Polizeisprecherin Gass. Von der Polizei könne eine Kundgebung behördlich nur für beendet erklärt werden, wenn großer Schaden für die öffentliche Ordnung oder fremdes Eigentum droht. Die Kontrolle der Einhaltung von Mindestabständen sei Sache der zuständigen Gesundheitsbehörden, man warte ab, bis es klare Regelungen gebe. (Michael Möseneder, 31.8.2020)