1950 fotografierte Wolf Suschitzky "Building the Abbey Works Port Talbot". Dieses Stahlwerk in Wales wurde ab 1947 errichtet und war in den 1960ern das größte Stahlwerk Europas sowie der größte Arbeitgeber der Region.

Foto: Fotohof Archiv

"Speaker's Corner, Hyde Park, London" von Wolf Suschitzky aus dem Jahr 2000.

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Die Fütterung der Pelikane wirkt unverdächtig, aber über dem Affengehege schwebt ein Sperrballon. Es ist die Zeit der deutschen Luftangriffe auf London, Wolf Suschitzky fotografiert 1940 im Zoo. Zwischen all den Bildern aus walisischen Stahlwerken, den rußgeschwärzten Gesichtern von Arbeitern in den schottischen Kohlerevieren, den Sardinenfischern an der französischen Atlantikküste, indischen Näherinnen und englischen Straßenarbeitern stechen diese Aufnahmen hervor.

Sie erzählen von Suschitzkys Faible für die Tierfotografie, aber auch von der Kriegserfahrung im englischen Exil. Mehr dazu gibt es derzeit im Museum der Moderne am Mönchsberg zu sehen, Werke von Suschitzky sind Teil der Schau Orte des Exils (bis 22. November). Im Salzburger Fotohof konzentriert man sich dagegen auf den engagierten Realismus, mit dem der 2016 im Alter von 104 Jahren verstorbene Fotograf und Filmemacher zeitlebens Arbeitswelten und soziale Verhältnisse dokumentiert hat.

Frühes Interesse

Sein Interesse daran war früh geweckt worden: Suschitzky wurde 1912 in eine sozialdemokratische Familie jüdischer Herkunft im Wiener Arbeiterbezirk Favoriten geboren. Sein Vater Wilhelm und dessen Bruder Philipp hatten hier 1901 die erste rote Buchhandlung Wiens, später auch den auf sozialistische Schriften spezialisierten Anzengruber-Verlag gegründet.

Nach dem blutigen Ende des Roten Wien 1934 nimmt sich Wilhelm Suschitzky das Leben, Wolfgang flieht vor dem Austrofaschismus nach London. Und folgt damit seiner vier Jahre älteren Schwester Edith Suschitzky, zu diesem Zeitpunkt bereits verheiratete Tudor-Hart. Deren bewegte Geschichte als kommunistische Agentin wird sehr viel später einiges zu ihrer Wiederentdeckung als Fotografin beitragen. Wolf Suschitzky geht es in erster Linie um die sozialkritischen Bildreportagen der Schwester, als er sie bereits 1987 im gleichnamigen Buch als das "Auge des Gewissens" bezeichnet.

Ihn selbst verschlägt es im London der 1930er-Jahre nicht zufällig in die Charing Cross Road: Es ist die Straße der Buchhändler und Antiquare, aber auch der Nachtschwärmer, Schuhputzer, Messerschleifer, Müllmänner und Straßenarbeiter. Für Suschitzky ist sie ein Inbegriff der pulsierenden Großstadt und ihrer sozialen Gefälle. Ab 1936 fotografiert er hier seine berühmte Charing Cross Road-Serie und erregt damit die Aufmerksamkeit von Paul Rotha, Pionier der britischen Dokumentarfilmbewegung. Das ist der Beginn von Suschitzkys Karriere als Kameramann, zu seinen bekanntesten Filmen gehört Get Carter mit Michael Caine von 1971.

Kommentar, nicht Propaganda

Für Rotha arbeitete Wolf Suschitzky zunächst als Kameraassistent, 1951 filmte er schließlich dessen Spielfilmdebüt No Resting Place, das im Milieu irischer Wanderarbeiter spielt. Dass man sich diesen Filmtitel nun für eine Schau über Suschitzkys ursprüngliches Metier, nämlich die Fotografie, ausleiht, macht Sinn. Er steht hier auch für die Schnittstellen in seinem Werk und für eine von Flucht und Exil geprägte Biografie.

"Das dokumentarische Foto", sagte Suschitzky einmal, "spiegelt die zeitgenössische Wirklichkeit wider und steht im Idealfall für den subtilen Kommentar sozialer Zustände und nicht unmittelbar für Sozialpropaganda. Die menschliche Komponente überwiegt."

Diese Haltung spricht vor allem aus seinen Blicken auf Arbeits- und Produktionswelten, wobei die Entstehung dieser Aufnahmen höchst unterschiedlich sein konnte. Man sieht klassische Auftragsarbeiten für Magazine (wie die Fotografien von Restauratoren im Victoria and Albert Museum), aber auch Bilder, die am Rande von Filmsets entstanden sind. Über Jahrzehnte hinweg fotografierte Suschitzky, dem ein ausgeprägter Sinn für Humor nachgesagt wurde, aber auch Protestbewegungen und -kundgebungen.

Seit 2018 betreut der Fotohof den Nachlass des Fotografen, der seine Arbeiten akribisch in sogenannten Kontaktbüchern archivierte. Einige von ihnen sind in der Ausstellung zu sehen, zu der mit Wolf Suschitzky – Work auch eine schöne Publikation erschienen ist. (Ivona Jelčić, 31.8.2020)