Swetlana Tichanowskaja ist nach der belarussischen Wahl ins Exil nach Litauen gegangen.

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Vilnius/Moskau – Nach den neuen Massenprotesten in Belarus hat der umstrittene Staatschef Alexander Lukaschenko Veränderungen in Aussicht gestellt. Es gebe jetzt viele Forderungen, das autoritäre System im Land zu ändern, "Veränderungen, Veränderungen", sagte Lukaschenko am Montag. "Deshalb werden wir das erörtern."

Konkret gehe es um eine Änderung der Verfassung, die von der Gesellschaft getragen werden solle. Staatsmedien in Minsk verbreiteten Eilmeldungen mit der Überschrift: "Lukaschenko für Reformen". Zehntausende Menschen hatten am Sonntag in Minsk bei Massenprotesten den Rücktritt des 66-Jährigen gefordert.

Die Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa warnte davor, Lukaschenko nach vielen nicht erfüllten Versprechungen in seinem Vierteljahrhundert an der Macht noch zu vertrauen. "Lukaschenko lügt und manipuliert wie seit 26 Jahren", sagte sie. Auch Politologen erwarten nicht, dass Lukaschenko echte Machtbefugnisse abgeben wird.

Tichanowskaja vor Sicherheitsrat

Die ins Exil gegangene belarussische Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja will sich am Freitag vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen äußern. Sie sei von Estland, das derzeit nicht-ständiges Mitglied ist, eingeladen worden, teilte ihr Sprecher am Montag mit. Tichanowskaja werde sich per Videoschalte an den Sicherheitsrat wenden.

Die Oppositionspolitikerin war bei der Präsidentenwahl gegen Amtsinhaber Lukaschenko angetreten. Lukaschenko hatte sich zum klaren Sieger erklärt. Die Opposition um Tichanowskaja erkennt den Sieg nicht an und wirft Lukaschenko, der seit 1994 autoritär regiert, Wahlbetrug vor. Tichanowskaja ist anschließend nach Litauen ins Exil gegangen.

Die drei baltischen Staaten haben außerdem Lukaschenko ein Einreiseverbot erteilt. Von der Maßnahme seien weitere 29 Vertreter von Belarus betroffen, teilten Litauen, Lettland und Estland gemeinsam am Montag mit.

Treffen mit Putin

In der belarussischen Hauptstadt Minsk hatten sich am Sonntag zehntausende Demonstranten vor der Residenz von Staatschef Lukaschenko versammelt. Am 66. Geburtstag des Machthabers skandierten die Demonstranten "Herzlichen Glückwunsch, du Ratte". Sie schwenkten rot-weiße Fahnen, die nach der umstrittenen Präsidentenwahl zum Symbol der seitdem andauernden Proteste geworden sind. Einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur RIA zufolge wurden mindestens 125 Demonstranten festgenommen. Der russische Präsident Wladimir Putin nutzte einen Gratulationsanruf zu Lukaschenkos Geburtstag, um seinen Kollegen nach Moskau einzuladen. Mehr als 300 hochrangige Sportlerinnen und Sportler des Landes, darunter Olympia-Medaillengewinner, haben derweil einen offenen Brief unterzeichnet, in dem sie die Wahl als "ungültig" bezeichnen und Unterstützung aus dem Ausland fordern.

Lukaschenko hat die wochenlangen Proteste mitunter gewaltsam niederschlagen lassen. Den Vorwurf der Wahlmanipulation weist er zurück. Er regiert den Staat zwischen Russland und dem Nato- und EU-Land Polen seit 1994 autoritär. In der jüngsten Krise hatte Lukaschenko wieder verstärkt Kontakt zu Russlands Präsident Putin gesucht, nachdem sich die Beziehungen zwischen den Politikern zuvor abgekühlt hatten. Das laut russischem Präsidialamt in den kommenden Wochen geplante Treffen wäre ihr erstes seit Beginn der Proteste. Putin hatte Lukaschenko diese Woche angeboten, eine Polizeitruppe nach Belarus zu entsenden, wenn die Unruhen dort außer Kontrolle geraten sollten. Zu Mittag teilte der Kreml aber mit, man halte ein Eingreifen für "aktuell nicht notwendig". (APA, 31.8.2020)