Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müsse sichergehen können, dass sie das kommende Homeoffice-Gesetz nicht benachteiligt.

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Der Shutdown durch die Corona-Krise im Frühjahr war für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Zäsur. Praktisch über Nacht wurde Homeoffice aus gesundheitlichen Gründen für sie zum Zwang. Der soziale Kontakt beschränkte sich auf Videochats und E-Mails. Auch Ungleichheiten wurden sichtbarer. Nicht jeder hat daheim ein Büro oder eine adäquate Arbeitsausstattung. Und Familien, vor allem Mütter, schulterten durch Schul- und Kindergartenschließungen zusätzlich Homeschooling und die Kinderbetreuung. Eine riesige Belastung.

Das alles fand statt, obwohl Homeoffice im Arbeitnehmerschutz gar nicht vorkommt. Ja, nicht einmal der Versicherungsanspruch bei Arbeitsunfällen in den eigenen vier Wänden ist über dieses Jahr hinaus geregelt, erinnerte Arbeiterkammerpräsidentin Renate Anderl im Ö1-"Morgenjournal". Ein Gesetz wollen Regierung und Sozialpartner im September erarbeiten. Das ist spät vor dem Herbst, in dem sich das Leben nach drinnen verlagert, die Corona-Infektionen noch stärker ansteigen dürften und Homeoffice für viele Firmen wieder zur zwingenden Alternative werden könnte.

Vertrauen Voraussetzung

Anderl spricht aber einen wichtigen Punkt an, wenn sie sagt, dass das Regelwerk für die Heimarbeit auf gegenseitigem Vertrauen aufgebaut werden muss.

Arbeitgeber müssen sich sicher sein können, dass die Belegschaft in den eigenen vier Wänden ihren Job macht und ihre Arbeitszeit einhält. Eine elektronische Überwachung wäre aber ein Signal des Misstrauens und auch für die Arbeitsatmosphäre schädlich, weil die Machtverhältnisse im Betrieb einseitig unverhältnismäßig größer würden. Im Homeoffice wird man auch alles andere als faul. Im Gegenteil: Ein Experiment des chinesischen Onlinereisebüros trip.com von 2010/11 zeigt, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer daheim produktiver werden. Aber auch, dass sie den sozialen Kontakt zu ihren Kolleginnen und Kollegen vermissen.

Firmenchefs müssen auch verstehen, dass Homeoffice im Shutdown für viele auch deshalb kein Spaß ist, weil sich die Arbeitszeit potenziell weiter entgrenzt. Man ist eher dazu geneigt, den Laptop noch einmal aufzuklappen, wenn sich der Arbeitsplatz längerfristig dort befindet, wo man lebt, isst und schläft. Das birgt auf Dauer auch eine psychische Belastung, die nicht zu unterschätzen ist.

Homeoffice-Gesetz darf nicht benachteiligen

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen sich im Gegenzug sicher sein können, dass das kommende Homeoffice-Gesetz sie nicht benachteiligt. Dass Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) Betriebsvereinbarungen für die Heimarbeit vorschlägt, ist ein positiver Aspekt. Damit dürften Die Entscheidung zum Homeoffice weitestgehend freiwillig bleiben.

Nicht verständlich ist Aschbachers Vorschlag im Kurier, die elfstündige Nachtruhe für Homeoffice zu überdenken. Ihr mag es nichts ausgemacht haben, den Nachmittag oder Abend mit den Kindern zu verbringen und dann zu arbeiten. Das zu pauschalisieren und dafür die Nachtruhe zu opfern, ist gefährlich. Denn ist es bei der Heimarbeit gelungen, steht sie vielleicht bald generell zur Debatte. Es muss andere Lösungen geben, die Arbeit flexibler zu gestalten. Homeoffice braucht mehr Schutzmechanismen, nicht weniger. Vor allem Müttern, die im Shutdown durch die Kinderbetreuung zusätzlich unbezahlte Arbeitsstunden leisteten, darf eine solche Aufweichung der Nachtruhe nicht zugemutet werden. (Jan Michael Marchart, 31.8.2020)