Paul Rusesabagina bei einer Pressekonferenz in Belgien 2019.

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Kigali – Paul Rusesabagina, der ehemalige Chef des Hotels Millies Collines in Ruandas Hauptstadt Kigali, ist von den Sicherheitsdiensten des ostafrikanischen Staates festgenommen worden. Die ruandische Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem die Finanzierung terroristischer Gruppen vor. Rusesabagina, ein Angehöriger der Hutu-Volksgruppe, hatte während des Genozids regierungstreuer Hutu-Milizen an der Tutsi-Minderheit 1994 das Luxushotel in Kigali geführt. Dort hatten bis zu 1.200 Tutsi Zuflucht gefunden.

Weil das Mille Collines auch von Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft genutzt wurde, konnte Rusesabagina das Militär – unter anderem durch Bestechungsgelder – überzeugen, das Hotel gegen ein Eindringen der Genozid-Milizen abzusichern. Die Geschichte wurde 2004 unter dem Titel "Hotel Ruanda" verfilmt. Wie groß seine Rolle beim Schutz des Hotels tatsächlich war, ist allerdings umstritten.

Milizen im Ostkongo

Zum Zeitpunkt des Genozids in Ruanda waren zwar Friedenstruppen der Uno im Land, griffen aber nicht in das Geschehen ein, bei dem mindestens 800.000 Tutsi und politisch moderate Hutus getötet wurden. Der Völkermord endete erst, als nach rund hundert Tagen die mehrheitlich Tutsi-geführte "Patriotische Front" (RPF) unter der Führung von Paul Kagame in Ruanda einmarschierte und die Truppen der bisherigen Regierung besiegte. Auch sie verübte bei ihrem Marsch von Flüchtlingslagern im benachbarten Uganda nach Kigali Gewalttaten und Kriegsverbrechen.

Mitglieder der vormaligen ruandischen Armee sowie hunderttausende weitere Hutus flüchteten in den benachbarten Ostkongo. Dort leben seither viele Flüchtlinge und einige Oppositionelle, aber auch die Milizen treiben dort ihr Unwesen. Kagame führt das Land seit 1994 in zahlreichen Ämtern, seit 2000 ist der heute 62-Jährige Staatspräsident. Er setzt auf eine autoritäre "gelenkte Demokratie" und strenge Überwachung der Bevölkerung. Eine Einteilung der Bevölkerung in Ethnien ist offiziell verboten. Das Land hat unter Kagames Führung vor allem wirtschaftlich große Fortschritte gemacht und gilt als sicher.

Terrorismusvorwürfe

Das gilt allerdings nicht für Gegner des Präsidenten, die immer wieder von den Behörden auch unter konstruierten Vorwürfen vor Gericht gestellt werden. Zu ihnen zählt auch Rusesabagina. Er verließ das Land 1996 und entwickelte sich in Belgien zu einer wichtigen Stimme der ruandischen Opposition. Die Regierung wirft ihm seit 2011 vor, die "Demokratischen Kräfte für die Befreiung Ruandas" (FDLR) zu unterstützen, die zu den Hutu-Rebellengruppen im Ostkongo zählen. Beweise dafür will sie haben, vorgelegt hat sie sie aber nicht. Juristische Bemühungen zu seiner Festnahme verstärkte sie erst kürzlich. Eine Befragung Rusesabaginas durch belgische Behörden Ende Juni blieb ohne Ergebnis.

Nun aber ist Rusesabagina von den ruandischen Behörden selbst festgenommen und in Kigali den Medien vorgeführt worden. Die ruandische Regierung teilte nur mit, die Festnahme sei auf Basis eines internationalen Haftbefehls erfolgt. Welche Staaten diesen umgesetzt haben, sagte ein Sprecher des Ruanda Investigation Bureau laut einem Bericht des französischen Magazins "Jeune Afrique" nicht. In der Vergangenheit sind Agenten des ruandischen Geheimdienstes immer wieder selbst tätig geworden und haben Verdächtige, aber auch Oppositionelle aus dem Ausland entführt oder sie dort ermordet. Mehrere weitere Oppositionelle sind zuletzt verschwunden und gelten als vermisst. (mesc, 31.8.2020)