Wien hat das beschämende Nichtstun Österreichs angesichts des Elends auf den griechischen Inseln unterbrochen und sich dazu bereit erklärt, 100 Kinderflüchtlinge aus dem Camp Moria aufzunehmen. Das ist ein verdienstvoller und richtiger Landtagsbeschluss. Und doch erscheint er zahnlos, kaum dass er gefasst wurde.

Kind im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos.
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Denn so sehr dieses Versprechen auch aufregt – man muss sich nur die Postings unter der entsprechenden Meldung durchlesen –, realistische Chancen auf Umsetzung hat es nicht. Die 100 Kinder und Jugendlichen aus den heillos überfüllten Lagern, in denen auch in Corona-Zeiten nur ein Wasserhahn auf 1300 Insassen kommt, werden es in dieser Legislaturperiode nicht bis in die Bundeshauptstadt schaffen. Denn die türkise ÖVP unter ihrem Star-Vorsitzenden Sebastian Kurz hat sich in ihrer Ablehnung einer solchen humanitären Geste tief eingegraben – und der grüne Koalitionspartner kann diesen Wall nicht überwinden. Aber ohne Placet vom Bund kann es die Wiener Rettungsaktion unmöglich geben.

Das heißt, dass man hierzulande mit großer Wahrscheinlichkeit auch weiterhin tatenlos der Verelendung an der EU-Außengrenze zusehen wird – ein Umstand, der einer moralischen Bankrotterklärung gleichkommt, und zwar schon seit Jahren. Und der Wiener Flüchtlingsaufnahmebeschluss wird vor allem eines sein: Futter im Wahlkampf. (Irene Brickner, 1.9.2020)