Illustration: Marie Jecel

Wien – Das Aufmunitionieren hat längst begonnen. Die mit neuen Regeln für Telearbeit und Homeoffice beauftragten Sozialpartner sammeln die Wünsche und Erfahrungen ihrer Mitglieder, um für den ersten Arbeitstermin mit dem Arbeitsministerium gerüstet zu sein.

Aus Unternehmen, die Homeoffice praktiziert haben oder ihre Mitarbeiter noch von zu Hause aus arbeiten lassen, gibt es unterschiedliche Rückmeldungen. In einem Punkt aber stimmen sie überwiegend überein: Man wünscht sich für die Zukunft kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch, eine Mischform zwischen Büro- und Heimarbeit.

Mischform Büro- und Heimarbeit

Das ist auch beim Verkehrsbüro der Fall. Österreichs größter Touristikkonzern beschäftigt rund 3.000 Mitarbeiter. 1.500 davon sind in der Hotellerie (Austria Trend Hotels) tätig, rund 500 in gut 100 Ruefa-Reisebüros, mehr als 400 beim Veranstalter Eurotours, der Rest in der Holding, im Bereich Business Travel und Palais Events. Zu Letzterem gehört auch das Café Central, das Mitte Mai wieder aufgesperrt hat. Nun gehe es darum, ein gutes Maß für ein neues Normal zu finden, sagt Unternehmenssprecherin Andrea Hansal. "Dass alle zeitgleich ins Büro zurückkommen, ist gerade in der ‚high season‘ von Schnupfen und Co nicht vorstellbar." Ein Regelwerk sei willkommen, es müsse aber flexibel bleiben.

Freiwilliger Zwang?

Was mit dem Lockdown Mitte März als Schutzmaßnahme für Dienstnehmer und den laufenden Betrieb begann, könnte künftig zum Knackpunkt werden: die Freiwilligkeit. Denn nach Monaten am Arbeitsplatz Privatwohnung haben Geschäftsführer und Unternehmenslenker Gefallen gefunden am Homeoffice. Es spart Betriebskosten, ein Teil denkt längst daran, die Büroflächen zu reduzieren und auf Desksharing umzustellen. Wer ins Office kommt, muss sich einen Schreibtisch suchen. Auch deshalb fürchten Arbeitnehmer, dass sie von ihren Arbeitsplätzen verbannt werden könnten. Wer in seinem Dienstvertrag das Büro als Dienstort stehen hat, kann nur einvernehmlich ins Homeoffice geschickt werden. Ohne triftigen Grund und einseitig gehe da nichts, sagen Gewerkschafter. Genau das steht allerdings ganz oben auf der Wunschliste der Wirtschaftstreibenden.

Flexible Lösungen gesucht

Wie viele andere Unternehmen auch, sucht auch Verbund, Österreichs größter Stromerzeuger, Regelungen für Homeoffice, die über Corona hinaus Bestand haben. "Man hat viel gelernt in der Krise, und es hat sich gezeigt, dass arbeiten von zum Hause aus funktioniert," sagt Verbund-Sprecherin Ingun Metelko. Gemeinsam mit dem Betriebsrat soll eine flexible Lösung erarbeitet werden, die sowohl die Interessen des Unternehmens als auch der Mitarbeiter berücksichtigt. Wiewohl das Unternehmen PC, Bildschirme, Drucker und Geräte bereitstellte: Eine pauschale Entschädigung oder Kostenbeteiligung für die Nutzung privater Geräte gebe es aber nicht, berichten Verbund-Bedienstete.

Aufwandsentschädigung

Bei den Kostenbeiträgen scheiden sich die Geister. Arbeitsrechtler wie Wolfgang Mazal sind der Meinung, dass es keines Kostenbeitrags zum Internet bedarf, wenn der Arbeitnehmer dafür pro Monat eine Fixgebühr zahlt. Wohl aber in der Ziehung sieht er die Arbeitgeber, wenn es um eine Aufwandsentschädigung geht. Denn beide Seiten ersparten sich etwas: der Dienstgeber Betriebskosten, Kaffee, Getränke und andere Sozialkosten und Fazilitäten, und der Dienstnehmer die Öffi-Fahrkarte, Treibstoff und natürlich Zeit. Von diesen Ersparnissen würden redliche Vertragspartner etwas abgeben, empfiehlt Arbeitsrechtsprofessor Wolfgang Mazal von der Uni Wien.

Unfallversicherung, Arbeitszeit

Bleiben zwei große Themenblöcke, die von den Sozialpartnern höchst unterschiedlich bewertet werden: Unfallversicherung, Arbeitszeit und -ruhe. Die Unfallversicherung scheint lösbar. Zwar läuft die Corona-bedingt großzügige Auslegung durch die Unfallversicherung AUVA Ende Dezember aus – derzeit gilt mangels Überprüfbarkeit so gut wie alles, was daheim auf dem Weg zum und vom Laptop an Unglücken oder Missgeschicken passiert als Arbeitsunfall. Mit einer zusätzlichen Haftpflichtversicherung, die der Arbeitgeber für die Dienstnehmer abschließt, könnte das Netz zum Schutz der Dienstnehmer in Fernarbeit engmaschiger geknüpft werden.

Bei der Arbeitszeit fürchten Arbeiterkammer und Gewerkschaft eine Ausdünnung der geltenden Regelungen, insbesondere bei der Arbeitsruhe. Bei "überwiegend Homeoffice" können laut Arbeitszeitgesetz stundengenaue Arbeitszeitaufzeichnungen entfallen, hier genügt die Gesamtstundenzahl der geleisteten Arbeit pro Tag. Das sei ein Einfallstor für eine Verkürzung der Ruhezeit von elf Stunden am Stück – dann, wenn zwischen den Arbeitsblöcken drei Stunden pausiert wird, wie in Tourismusbetrieben. Das sei nicht generell wünschenswert, warnt AK-Direktor Christoph Klein. (Luise Ungerboeck, Günther Strobl, 31.8.2020)