Polizisten bei den Ausschreitungen in Wien-Favoriten.

Foto: APA / Georg Hochmuth

Wien – In Österreich könnte ein Spionagefall mit Ausgangspunkt Ankara aufgedeckt worden sein. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) berichtete am Dienstag bei einer Pressekonferenz von einer geständigen Person. Die Staatsanwaltschaft wird seinen Angaben zu Folge Anklage wegen Spionage erheben.

Nähere Details zu der Person gaben weder Nehammer noch der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit Franz Ruf bekannt. So blieb das Geschlecht des vermeintlichen Spions ebenso unklar wie seine Staatsangehörigkeit oder ob er sich noch auf freiem Fuß befindet. Nicht einmal, welche Staatsanwaltschaft ermittelt, wurde bekanntgegeben. Es dürfte sich aber um eine Behörde außerhalb Wiens handeln.

Kein direkter Zusammenhang mit Favoriten-Unruhen

Zu erfahren war immerhin, dass die Person ursprünglich in der Türkei inhaftiert war. Um wieder frei zu kommen, soll sie zugestimmt haben, im Dienste Ankaras bei Landsleuten in Österreich bzw. türkischstämmigen Einwanderern zu spitzeln.

Dieser Fall steht zwar nicht im direkten Zusammenhang mit den Zusammenstößen zwischen kurdischen Demonstranten und türkischen Gegendemonstranten Ende Juli in Wien, wurde aber von der da eingerichteten Sonderkommission mit berücksichtigt. Ruf ist nämlich überzeugt, dass auch bei diesen Auseinandersetzungen der türkische Geheimdienst seine Finger im Spiel hatte.

32 Nationen bei Zusammenstößen

Ins Treffen geführt wird vom Innenministerium hier zusätzlich der Fall einer Person, die in der Türkei von den Behörden einvernommen wurde. Dabei wurde dem Mann ein Foto von sich bei einer in Österreich stattgefundenen Kundgebung gegen die türkische Führung gezeigt. Und auch bei den Ausschreitungen in Favoriten war der Exekutive aufgefallen, dass von nicht-polizeilicher Seite mitgefilmt wurde – für Ruf einer der Aspekte für typische nachrichtendienstliche Arbeit.

Erwähnt wurde vom Generaldirektor auch, dass es zwar in erster Linie eine türkisch-kurdische Auseinandersetzung gewesen sei, aber durchaus andere Nationen mitgemischt hätten – nämlich nicht weniger als 32.

Nehammer informiert Seehofer

Für die Regierung ist die Situation jedenfalls beunruhigend. Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) meinte bei der Pressekonferenz, der Arm des türkischen Präsident Recep Tayyip Erdogan reiche bis Wien, ja bis hinein nach Favoriten. Über Vereine und Moscheen werde Einfluss auf Menschen mit türkischen Wurzeln ausgeübt. Die Türkei wolle dabei die Spaltung in der österreichischen Gesellschaft vorantreiben. Dieser Einfluss sei Gift für die Integration in Österreich.

Nehammer will das Problem auch internationalisieren. Den deutschen Innenminister Horst Seehofer hat er über den Spionagefall schon informiert. Man müsse sich in Europa gemeinsam gegen den Einfluss Ankaras wehren. Vermutlich sei man erst an der Spitze des Eisbergs angelangt. Diplomatische Schritte bezüglich des Spionagefalls wird laut Nehammer Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) einleiten. (APA, 1.9.2020)