Investivjournalist Jan Kuciak wurde im Februar 2018 erschossen.

Foto: AFP, VLADIMIR SIMICEK

Bratislava – Die für diesen Donnerstag (3.9.) erwartete Urteilsverkündung im Mordfall des slowakischen Journalisten Jan Kuciak scheint erneut gefährdet. Die zuständige Spezialstaatsanwaltschaft brachte am Montag, nur drei Tage vor dem erwarteten Urteil, beim Spezialisierten Strafgericht in Pezinok völlig überraschend einen neuen Antrag auf Ergänzung der Beweisaufnahme ein.

Das bestätigte Gerichtssprecherin Katarina Kudjakova der slowakischen Nachrichtenagentur TASR. Der Antrag umfasst ganze 65 Seiten, erklärte Kudjakova. Die eigentliche Anklageschrift im Mordprozess selbst war dabei 93 Seiten lang. Grund und Inhalt des neuen Antrags wurden nicht veröffentlicht. Laut Medienberichten soll es sich aber um weitere Daten aus dem sichergestellten Mobiltelefon der angeklagten Vermittlerin des Mordes Alena Zs. handeln, die die mutmaßlichen Täter zusätzlich belasten.

Zweite Verschiebung

Im genau beobachteten Journalisten-Mordfall steht somit schon die zweite Verschiebung der Urteilsverkündung bevor. Mit dem Verdikt wurde ursprünglich schon am 5. August gerechnet, die Verkündung wurde aber vom zuständigen Strafsenat unerwartet nur einen Tag zuvor auf Anfang September vertagt. Die Beweisaufnahme im Fall hatte das Gericht noch am 23. Juli für abgeschlossen erklärt. Die aktuelle Entwicklung bezeichneten Beobachter als sehr ungewöhnlich.

Der für Donnerstag geplante Termin der Hauptverhandlung bleibt vorerst bestehen. Ob das Gericht den neuen Antrag annimmt und die Beweisaufnahme erneut öffnet oder den Vorschlag der Staatsanwaltschaft ablehnt und dass mit Spannung erwartete Urteil verkündet, wird sich laut Medienberichten definitiv erst im Gerichtssaal zeigen.

Die Angeklagten

Vor Gericht stehen in der seit 13. Jänner dieses Jahres laufenden Hauptverhandlung im Mordfall, der als größter Mordprozess in der Geschichte der Slowakei bezeichnet wird, der Geschäftsmann Marian K. als mutmaßlicher Auftraggeber, die Italienisch-Dolmetscherin Alena Zs., die den Mord organisiert haben soll, und Tomas Sz., der den Todesschützen zum Tatort gefahren haben soll. Die Staatsanwaltschaft hat für alle drei Angeklagten 25 Jahre Gefängnis beantragt, alle drei bestreiten ihre Schuld. Zwei weitere geständige Mittäter wurden bereits in gesonderten Verfahren zu langen Haftstrafen verurteilt.

Der Aufdeckreporter Jan Kuciak und seine Verlobte Martina Kusnirova wurden am 21. Februar 2018 in ihrem Haus im westslowakischen Velka Maca erschossen. Der Mord führte zu den größten regierungskritischen Massenprotesten in der Slowakei seit der Wende 1989, ein politisches Erdbeben im Land war die Folge. (APA, 1.9.2020)