"Jochen Rindt war einer meiner besten Freunde. Seit 1964 fuhren wir zusammen Rennen", sagt Jackie Stewart. Sie fuhren nicht gegeneinander. Sie fuhren miteinander. "Damals war die Kameradschaft, die zwischen uns Fahrern herrschte (...), sicherlich etwas anderes als heute die Beziehung zwischen den Fahrern." Nicht nur Stewart und Rindt waren befreundet, auch deren Familien. "Meine Söhne Paul und Mark waren ebenso Mitglieder der Familie Rindt wie jene zu den Stewarts gehörten, während wir als Nachbarn in der Schweiz lebten."
Die Zitate stammen aus dem Vorwort des Buchs "Jochen Rindt. Der erste Popstar der Formel 1", das im Sommer, vor dem fünfzigsten Todestag von Jochen Rindt, neu aufgelegt wurde. Während Stewart im Vorwort seine Beziehung zu Rindt erklärt und dabei gute Einblicke in die Geschichte der Formel 1 gibt, stammen die anderen Texte von Herbert Völker. Sie erinnern an die Blütezeit der "Autorevue", und Herbert Völker klärt ein für allemal die Nationalität Jochen Rindts: "Für einen Österreicher war es absolut selbstverständlich, Rindt als Landsmann zu sehen. Der deutsche Pass und die Erbschaft der Mainzer Gewürzmühle hatten nichts zu bedeuten gegen Kindheit und Jugend in Österreich (erschwerend: in der Steiermark). Dass er als Rennfahrer mit österreichischer Lizenz fuhr, war nur logisch und korrekt. Von Landsmann zu Landsmann sei in aller Gelassenheit bestätigt: Jochen war Österreicher."
Und er lässt auch Niki Lauda zu Wort kommen, der sagte: "Es hat mich immer gerissen, wenn ich Fotos vom Jochen gesehen hab. Er hat immer dreing'schaut wie einer, der was ist." Gute Fotos von Jochen Rindt gibt es in der Tat viele. Als Beweis für diese Aussage mag das zitierte Buch selbst dienen. Die edle Feder Herbert Völkers tritt hier nämlich auf 176 Seiten gegen 150 Fotos und Abbildungen, zum größten Teil von Ferdi Kräling, an.
Weil der Rennzirkus damals noch nicht so abgehoben war, die Ehefrauen und/oder Freundinnen der Rennfahrer etwa die Rundenaufzeichnungen und Zeitmessungen für die Teams ihres Mannes oder Freundes machten, gab es "reichlich Möglichkeiten für interessante Fotos", erinnert sich Jackie Stewart. "Sie brachten Farbe und Glamour, der heute im modernen Grand-Prix-Zirkus schlichtweg nicht mehr existiert." Und das, obwohl die meisten Fotos Schwarz-Weiß-Aufnahmen sind.
Sie zeichnen im Buch ein Bild von einem Rennfahrer, seiner Reifung, bis hin zu einem Mann, der sich "ein Leben ohne Wahnsinn vorstellen konnte" und daran arbeitete, mit Bernie Ecclestone ein Joint Venture aufzuziehen. Doch davor musste er noch Rennen fahren. Auf den 10. Mai 1970 datiert Herbert Völker den "entscheidenden Moment auf dem Weg zum Mythos". Es war ein Sonntag, "kurz nach Tisch, die Nation hatte grundsätzlich Schnitzel mit Erdäpfelsalat gegessen und saß vor den Fernsehern". Dort lief der Grand Prix von Monaco, den Jochen Rindt nach dramatischen Momenten gewinnen sollte.
Noch einmal Herbert Völker: "Der Unfall am 5. September 1970, im Samstagtraining von Monza, bleibt in der Rückschau aus 40 Jahren genau so banal wie damals: Die Bremswelle ist gebrochen (warum auch immer), und Jochen hatte keine Chance. Rindt hatte eine völlig klare Idee gehabt, dass die Rennerei sicherer werden müsse, schon allein deswegen, weil scheinheilige Politiker ansonsten irgendwann den ganzen Motorsport verbieten würden."
Jochen Rindt wettete mit seiner Frau Nina, dass er nach dem Weltmeistertitel 1970 aufhören würde. Wettsumme: 10.000 Pfund. Es war ihm also ernst. Er wollte ins Management des Rennsports, ihn sicherer machen "und ein Vermögen damit verdienen", wie Herbert Völker schlussfolgert. Daraus wurde nichts. Der Weltmeistertitel wurde Jochen Rindt posthum zugesprochen. Den Pokal musste seine Frau Nina entgegennehmen. (Guido Gluschitsch, 2.9.2020)