Der Asteroid 2011 ES4, hier eine künstlerische Darstellung, kommt der Erde immer wieder nahe.
Illustr.: DLR

Ein Brocken mit den Ausmaßen eines Mehrfamilienhauses verfehlte die Erde am Dienstag nur um eine vergleichsweise geringe Distanz: Um 18.12 Uhr MESZ passierte der Asteroid 2011 ES4 unseren Heimatplaneten in einem Abstand von etwa 120.000 Kilometern, das entspricht einem Drittel der Entfernung zwischen Erde und Mond. Ereignisse wie dieses sind keine Seltenheit, immerhin kam es heuer bereits zu etwa 60 solcher Nahbegegnungen. Gefährlich sind die Geschoße aus dem All nur in den seltensten Fällen.

Grafik: Erdnahe Asteroiden.
Grafik: NASA Planetary Defense Coordination Office

2011 ES4 allerdings hätte mit seinem geschätzten Durchmesser von 22 bis 49 Metern bei einem Treffer durchaus das Potenzial, für Ungemach zu sorgen: Der ähnlich große Asteroid, der am 15. Februar 2013 dreißig Kilometer über der russischen Stadt Tscheljabinsk explodierte, verursachte mit seiner Druckwelle zahlreiche Gebäudeschäden und Verletzungen bei Personen durch zerberstende Glasscheiben.

Der nächste Einschlag kommt bestimmt

"Der Weltraum ist zum Glück relativ leer, und auf der Zeitskala eines Menschenlebens muss man – statistisch betrachtet – nicht unbedingt mit einem gewaltigen Einschlag rechnen wie zum Beispiel mit jenem, der vor 65 Millionen Jahren schlagartig zum Aussterben der Dinosaurier und anderer Arten geführt haben soll", erklärt Manfred Gaida, Astronom am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). "Dennoch, der nächste Impact kann jederzeit geschehen."

Aufnahmeserie der chinesischen Sonde Chang'e-2 vom Asteroiden 4179 Toutatis (D = Aufnahmedistanz, T = Aufnahmezeitpunkt, R = Auflösung)
Fotos: CNSA

2011 ES4 zählt zu den Apollo-Asteroiden, was ihn zu einem sogenannten Erdbahnkreuzer macht. Die Umlaufbahnen dieser nach dem Asteroiden (1862) Apollo benannten Objekte liegen zum Teil innerhalb der Erdbahn, ein Zusammenstoß mit der Erde ist dadurch potenziell möglich. Ein relativ gut bekannter und erforschter Brocken aus dieser Gruppe ist der zwei mal vier Kilometer große Asteroid 4179 Toutatis. Er kreuzt die Erdbahn alle vier Jahre in mal mehr oder mal weniger großer Entfernung, zuletzt war dies am 29. Dezember 2016 in 100-facher Monddistanz der Fall.

Die Umlaufbahn von 2011 ES4.
Grafik: Nasa/JPL

Nur etwas für größere Teleskope

Während man Toutatis im Jahr 2004 bei seiner Erdpassage in vierfacher Mondentfernung sogar in einem lichtstarken Fernglas sehen konnte, war 2011 ES4 nur mithilfe größerer Teleskope beobachtbar, was an seiner geschätzten kurzzeitigen Helligkeit von höchstens 12,5-ter Größenklasse liegt; während seiner minimalen Erddistanz blieb der Asteroid also recht lichtschwach. "Das kann man relativ sicher abschätzen", sagt Gaida. "Es ist ein kleiner Körper von der Größe eines Mehrfamilienhauses." Denkbar sei, dass einige Hobby-Astronomen mit ihren potenteren Teleskopen versuchen, den Vorbeiflug als Strichspur aufzuzeichnen.

"Freilich ist es wichtig, ein möglichst genaues Bild von allen Objekten zu bekommen, die der Erde eines Tages gefährlich werden könnten", betont Christian Gritzner, Raumfahrtingenieur und Programmleiter für Sonnensystemmissionen im Raumfahrtmanagement des DLR. "Denn nur so erhalten wir hinreichend Kenntnis, um uns eines Tages nachhaltig vor den möglichen Einschlägen erdbahnkreuzender Körper schützen zu können, selbst wenn sie keinen global verheerenden Schaden anrichten würden."

Video: Der Asteroid 2011 ES4.
Asteroid Station

Abwehrmaßnahmen für den Ernstfall

In den vergangenen Jahrzehnten wurden weltweit umfangreiche Überwachungssysteme aufgebaut, die auch noch Asteroiden von Metergröße erfassen können – diese Liste wird immer länger, wie man der Übersicht des Center for Near Earth Object Studies entnehmen kann. Darüber hinaus werden Untersuchungen über wirksame Abwehrmöglichkeiten zunehmend detaillierter. Man hofft, dass man auf dieser Grundlage eines Tages, wenn der unweigerliche Ernstfall eintritt, entsprechende Maßnahmen zur Hand hat, die das Schlimmste verhindern können.

Zumindest 2011 ES4 dürfte jedenfalls noch oft – ohne eine Gefahr darzustellen – an der Erde vorüberziehen: Im Jahr 2055 soll er den Berechnungen zufolge wieder näher kommen und in knapp zehnfacher Mondentfernung an der Erde vorbeirasen. Wenn dann einige Staaten ihre ehrgeizigen Pläne umgesetzt und lunare Außenposten errichtet haben, könnten die Astronauten auf dem Mond solche Nahbegegnungen ungestörter verfolgen, als es von der Erde aus möglich ist. (red, 1.9.2020)