Selten sprechen die Kollegen der Autoredaktion Warnungen bei der Fahrzeugübergabe aus. Aber sowohl Kollege Stockinger als auch Kollege Gluschitsch rieten mir, besonders am Anfang etwas vorsichtig mit dem neuen Exemplar umzugehen: "Der Wagen reagiert sehr spontan aufs Gaspedal" – "Ich finde es mutig, ein Auto so abzustimmen." Und dann herrlich abgerundet mit einem "Aber du machst das schon". Perfekt.

Zum Glück hatte der Gluschitsch ein paar Tage Zeit, den hier angesprochenen Jaguar F-Type P450 ebenfalls zu testen, weswegen ich ihn in einigen Passagen zu Wort kommen lasse.

Duden aufschlagen, nach dem Wort "Augenweide" suchen, dieses Bild finden.
Foto: Guido Gluschitsch

Die schönsten 450 PS

Das mächtige Heck wird durch zwei Doppelauspuffe (hier im Bild nur eines dieser Exemplare) vollendet.
Foto: Guido Gluschitsch

Aber eins nach dem anderen. Der Facelift des F-Type ist äußerlich wohl in der Front am auffälligsten. Der dunkle Kühlergrill ist breiter geworden, die Scheinwerfer haben einen kräftigeren Schwung zur Seite bekommen, was dem neuen P450 einen bitterbösen Blick verleiht. Der Rest ist mehr oder minder geblieben, das Heck ist ordentlich breit, die zwei Doppelauspuffe protzig genug, und selbst mit offenem Verdeck wirkt das Teil stimmig. Viele Cabrios schauen, meiner bescheidenen Meinung nach, mit offenem Dach zweigeteilt aus, als hätte niemand so wirklich bedacht, was es heißt, wenn die Decke auf einmal fehlt. "Das sind die schönsten 450 PS, die man derzeit um Geld kaufen kann", lautet das Fazit vom Gluschitsch. Da kann ich mich nur anschließen. Genug geschwafelt, rein da.

Aber mit "rein" meine ich erst einmal den Motorraum. Unser Exemplar hat einen 5.0-Liter-V8-Kompressor mitsamt 450 PS unter der Haube. Den kleineren V6 gibt es nicht mehr im Angebot, dafür aber den V8 mit insgesamt 575 PS oder aber den kleineren 2.0-Liter-4-Zylinder-Turbobenziner mit 300 PS.

Die Sorgen des Gluschitsch

Die ganz dicke Maschine ist es also nicht geworden, 450 PS sind aber auch nicht zu vernachlässigen. Und hier kommen wir wieder zu der anfänglichen Warnung und den Notizen des Gluschitsch: "Ich fürchte, wenn den F-Type ein halbwegs normaler Autofahrer schnell bewegen will, wird er genauso schnell an seine Grenzen kommen. Denn im Gegensatz zu allen anderen gängigen Autos ist dieser F-Type nicht schiebert ausgelegt, sondern hat ein herrlich agiles Heck, auch wenn heute das ESP da Schlimmstes verhindert."

Das sind Warnungen genug, um mich von einem der drei Fahr-Modi fernzuhalten, dem Dynamic-Modus. Schaltet man diesen mit einem Wipp des Schalters nach unten ein, wird das neue und komplett digitale Cockpit-Interface rot, und die Gadse fängt an zu fauchen. Und wie. Da hallt jeder Hauch auf das Gaspedal durch die Gassen Wiens. Wem's gefällt. Ich bin lieber im üblichen Modus unterwegs, der macht die Klappen nämlich zu und ermöglicht so ein lautschwaches und entspanntes Fahren.

Das zweite Gesicht: Cruiser ohne Einschränkungen

Apropos entspanntes Fahren: Der Stockinger übergab den F-Type mit rund zwölf Litern Verbrauch, der Gluschitsch brachte ihn auf circa elf, ich trieb ihn unter zehn. Wo ein Wille, da auch ein Weg. Denn wie gesagt, im Cruisen ist der Jaguar ebenfalls gut aufgestellt. Der P450 ist auf der Autobahn so herrlich abgestimmt und liegt selbst bei Geschwindigkeiten, die – nun ja – jenseits der 130 liegen, wunderbar ruhig auf der Straße. Und das auch mit offenem Dach. Cabrio bei 120 und sich dabei noch normal unterhalten? Kein Problem, das freut auch die Beifahrerin.

Und auf der Landstraße zeigt sich, warum der Gluschitsch so begeistert war. Die Lenkung ist saupräzise, zu jeder Zeit hat man das Gefühl, den Wagen unter Kontrolle zu haben. Dazu erlauben die 450 PS, genug Dynamik in die Fahrweise einzubringen, um die kurvigen Straßen Tirols zu genießen. Die schnell ansprechende Bremse gewährt die nötige Sicherheit. Und, wie der Gluschitsch sagt: "Im Grundsetting ist dieser F-Type sehr komfortabel, und sogar im Sportmodus wird das Fahrwerk nicht wirklich hart. Straff, ja, aber nicht brettelhart." Die Sitze sind auch für längere Fahrten herrlich bequem, das Soundsystem ist eine Pracht, und sogar das Navigationssystem hat uns überrascht und hilft dabei, Staus locker und lässig zu umfahren, ohne den Fahrer mit dieser Errungenschaft zu nerven.

Das Cockpit, endlich mit digitalen Elementen, ist recht schlicht gehalten. Die wenigen Chromteile blenden in seltenen Fällen, mich zumindest.
Foto: Guido Gluschitsch

Zu meckern gibt es wenig. Ein Grundproblem bei einem offenen Dach ist die Sonneneinstrahlung. Bahnt sich diese ihren Weg ins Cockpit, ist es schwer, auf dem Display in der Mittelkonsole noch etwas vom Navi auszumachen. Außerdem haben mich, den Kollegen Gluschitsch aber laut seinen Aussagen nicht, die Chromteile im Lenkrad hier und da geblendet. Aber Chrom und ich, diese Hassbeziehung geht weit zurück.

Je nach Fahrertyp ist der neue F-Type also ein wandelbares Wesen. Ich kann mir gut vorstellen, wie der Gluschitsch über abgesperrtes Gelände oder Rundkurse fährt und bei jeder Gelegenheit das Heck an seine Grenzen bringt, während ich damit gemütlich 800 Kilometer bis nach Tirol und wieder zurück cruise. Der P450 ist Sportwagen und Roadster in einem. (Thorben Pollerhof, 2.9.2020)