Das chinesische Unternehmen Bytedance muss – so will es Trump – die App Tiktok verkaufen.

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Die Uhr für Tiktok tickt. Noch 19 Tage, dann soll, so will es US-Präsident Trump, die App verkauft werden. Sollte das nicht geschehen und Tiktok weiterhin vom chinesischen Eigentümer Bytedance betrieben werden, will Trump die App kurzerhand verbieten. Am Montag hieß es seitens von Bytedance, man habe sich für einen Bieter entschieden – und schon am Dienstag könnte der Deal bekanntgegeben werden. Eine überarbeitete Liste mit Schlüsseltechnologien, die Peking am Freitagabend veröffentlicht hatte, könnte den Deal allerdings verzögern und verteuern.

Eine solche Liste umfasst Technologien und Sektoren, die nicht an ausländische Unternehmen verkauft werden dürfen. Normalerweise finden sich darin Unternehmen aus dem Militär-, Luftfahrt- und Energie-Sektor – sie umfasst insgesamt 23 Punkte. Das bis vor kurzem letzte Mal, dass diese Liste überarbeitet und veröffentlicht wurde, war vor zwölf Jahren. Seit Freitagabend finden sich darauf auch die Bereiche Datenanalyse und künstliche Intelligenz. Experten vermuten, dass der neue Punkt auf die Video-App Tiktok gemünzt ist. Bytedance müsste demnach vor einem Verkauf eine Lizenz bei der chinesischen Regierung beantragen.

Cui Fan, Professor an der Universität für Internationale Wirtschaft in Peking, sagte der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua, die überarbeiteten Regeln spiegeln die Veränderung der internationalen Handelsdynamik und des technologischen Fortschritts wider. "Wenn Bytedance plant, seine Technologie zu exportieren, sollte es eine Lizenz dafür beantragen."

Nationales Sicherheitsrisiko

Für Trump stellt Tiktok ein nationales Sicherheitsrisiko dar. Die App spähe Nutzer aus und übermittle Bewegungs- und Firmendaten an die chinesische Führung. Tiktok wehrte sich gegen das Verbot und reichte bei einem amerikanischen Bundesgericht in Kalifornien Klage ein. Man habe "außerordentliche Schritte unternommen, um die Privatsphäre und die Sicherheit der Daten von Tiktok-Nutzern in den USA zu schützen".

Bisher gelten die amerikanischen Softwarekonzerne Microsoft und Oracle als Hauptinteressenten für den Kauf von Tiktok. Sie verhandeln seit einigen Wochen mit dem Pekinger Konzern Bytedance über den Verkauf. Überraschend kam vergangene Woche auch Walmart hinzu. In einem Konsortium mit Softbank und Alphabet will die Supermarktkette mit Tiktok seine E-Commerce-Aktivitäten ausweiten. Die Aktien der drei amerikanischen Unternehmen fielen am Montag, nachdem die Überarbeitung des Katalogs für Schlüsseltechnologien bekanntgegeben worden war.

Am Donnerstag war überraschend der amerikanische Chef des Konzerns, Tim Mayer, zurückgetreten. Er hatte erst im Juni die Führung von Bytedance übernommen. Seine Entscheidung hatte er mit "starken Veränderung des politischen Umfelds" begründet. Der Preis für das Unternehmen soll zwischen 20 und 30 Milliarden US-Dollar liegen.

Konflikt mit vielen Schauplätzen

Der Kampf um die Videoplattform Tiktok ist dabei nur ein Schauplatz des Konflikts. Seit 2018 versucht Washington gegen unfaire Handelspraktiken Chinas vorzugehen. Kurz vor der Corona-Pandemie schien der Handelskonflikt vorerst gelöst zu sein. Viele Vereinbarungen wie erhöhte Käufe amerikanischer Agrarprodukte sind durch die Corona-Pandemie hinfällig geworden. Pekings rigoroses Vorgehen in Hongkong hat das Verhältnis weiter belastet. Je näher die Präsidentschaftswahlen in den USA rücken, desto stärker versuchen sich beide Kandidaten für das höchste Amt im Staat mit einer Anti-China-Politik zu profilieren.

In den vergangenen Wochen schien sich die Situation zwischen Peking und Washington ein klein wenig entspannt zu haben. Zumindest drehte sich die Eskalationsspirale etwas langsamer als in den Wochen zuvor. Dass China jetzt wieder vehementer auftritt, ist kein gutes Zeichen für die Beziehungen zwischen beiden Staaten.

Suche nach Rache

William Reinsch vom Center for Strategic International Studies in Washington ist deshalb auch skeptisch, dass sich die Situation nach den Wahlen im November entspannen wird: "Die Führung in Peking sucht gerade nach Wegen, sich zu rächen, ohne sich dabei selbst zu schaden." Er sieht in den kommenden Wochen bis zur US-Wahl ein "more of the same".

Ob sich allerdings mit Joe Biden als US-Präsident viel ändern würde, ist fraglich. "Biden ist ein Multilateralist", so Reinsch. "Er wird sich um mehr Allianzen gegen China bemühen. Die Politik wird sich aber nicht wesentlich unterscheiden." (Philipp Mattheis, 1.9.2020)