Vor den Toren Kapstadts sind die Paviane noch halbwegs gesund unterwegs.

Foto: Gianluigi GUERCIA / AFP

Sie sind der Schrecken von Kapstadt. Die mehr als zwei Dutzend Banden von Pavianen, die vor allem um die südlich der legendären Hafenstadt gelegenen Vorstädte schwärmen, um in geeigneten Momenten zuzuschlagen. Dann scheuen die fast menschengroßen Baboons auch nicht davor zurück, außer Mistkübel auch Haustüren zu öffnen, um sich aus den Kühlschränken und Vorratskammern der vor Schreck erstarrten Hausbewohner zu bedienen.

Die Beutezüge der Paviane führen immer wieder zu regelrechten Kleinkriegen mit Kapstädter Bürgerwehren, aus denen die mit mächtigen Eckzähnen und gepolsterten Hinterteilen ausgestatteten Tiere nicht unbedingt siegreich hervorgehen. Manche Affenbande sieht inzwischen wie ein Trupp von Kriegsveteranen aus: Dem einen Baboon fehlt ein Arm, dem anderen ein Auge, in einem dritten wurden nach dessen Tod fast hundert aus einem Luftdruckgewehr abgefeuerte Bleikügelchen gefunden.

Folgen der Menschennähe

Noch haarsträubender sind die Folgen der Konfrontationen, die man nicht sehen kann. Ein Team südafrikanischer Wissenschafter hat jetzt 17 dem Krieg gegen ihre aufrecht gehenden Verwandten zum Opfer gefallene Paviane genauer unter die Lupe genommen: Die Hälfte von ihnen hatte von Karies verhunzte Zähne, die unter ihren in Wildreservaten lebenden Artgenossen gänzlich unbekannt sind.

Und nicht nur das: Bei vielen von ihnen seien auch die ersten Ansätze von Zuckererkrankungen, also Diabetes, zu erkennen, gab der Direktor für Wildtierforschung an der Universität von Kapstadt, Justin O'Riain, bekannt. Hielten die Baboons an ihrem unnatürlichen Zuckerkonsum fest, könne es unter ihnen außer zu Diabetes auch zu Bluthochdruck und sogar zu Blindheit kommen, hieß es. Schließlich sind die Kapstädter Bandenmitglieder auch um rund zehn Prozent fetter als ihre gesünder ernährten Verwandten aus den Nationalparks – auch das trägt zur Verkürzung ihres versüßten Lebens bei.

Bestätigung für Arzt

Der südafrikanische Sportarzt Tim Noakes, der schon seit Jahren eine erbitterte Kampagne gegen den überhöhten Zucker- und Kohlehydrate-Konsum seiner Landleute führt, sieht sich bestätigt. "Paviane stammen von denselben Vorfahren wie wir ab und können genauso schlecht wie wir mit zu viel Zucker umgehen", kommentierte der Ernährungs-Guru die jüngsten Erkenntnisse der Forscher. Und noch schlimmer: Solange es noch keine Zahnärzte für Affen gibt, stehen die Kapstädter Bandenmitglieder vor wesentlich schmerzlicheren Problemen als ihre krankenkassenversicherten Versorger.

Die Stadtverwaltung der Touristenmetropole wollte das Dilemma vorbeugend und nicht mit zahnärztlicher Grausamkeit aus der Welt schaffen. Schon vor geraumer Zeit stellte die Behörde mehr als 70 "Pavian-Wärter" ein, um die Räuberaffen von den Hochburgen versüßter Nahrung fernzuhalten. Marian Nieuwoudt, der für Umweltfragen verantwortliche Stadtrat der "Mother City", sprach von einer 99-prozentigen Erfolgsquote seiner Grünhelme – eine Behauptung, die nun allerdings von der hohen Kariesrate unter den Pavianen Lügen gestraft wird. An ihren Zähnen sollt ihr sie erkennen. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 2.9.2020)