Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bereichert mittlerweile schon Forschungsdiszipline, die man bisher gemeinhin mit schweißtreibender und mühsamer Handarbeit verband: Ein Team von deutschen und mexikanischen Fachleuten konnte zeigen, dass entsprechend geschulte AI überraschend treffsicher in der Lage ist, den Ursprung archäologischer Funde aus naturwissenschaftlichen Untersuchungsdaten abzuleiten.

Die früheren Bewohner der archäologischen Stätte von Xalasco im Westen Mexikos pflegten rege Kontakte zu anderen Regionen in der Landesmitte und am Golf von Mexiko, was zum Austausch von Rohstoffen und Produkten führte. Ausgrabungen in Xalasco förderten zahlreiche Werkstücke aus Obsidian zutage. Ob das Ausgangsmaterial aus lokalen Quellen stammte oder von entfernten Fundstellen herbeigeschafft wurde, war bisher schwer zu eruieren.

Obsidianartefakte aus Xalasco bestehen aus einem Material, das in der Nähe der Fundstelle gefördert wurde, fanden Archäologen mithilfe künstlicher Intelligenz heraus.
Foto: P. López-García/D. Argote

"Wir haben die chemische Zusammensetzung der Obsidianartefakte spektroskopisch untersucht und diese Messungen mit Hilfe Künstlicher Intelligenz analysiert, um die Werkstücke mit Proben zu vergleichen, die aus den möglichen natürlichen Quellen stammen", sagt der Marburger Informatiker Michael Thrun, Hauptautor der nun im Fachjournal "IEEE Access" erschienenen Studie.

Falsche Ergebnisse mit bisheriger Software

Zur chemischen Analyse nutzte die Forschungsgruppe ein tragbares Röntgen-Fluoreszenzspektrometer, mit dem sie 256 Obsidianfundstücke aus Xalasco untersuchte. Um die Werkstücke den natürlichen Obsidianquellen zuzuordnen, besorgte sich das Team Proben aus mehreren mittelamerikanischen Fundstellen. Die herkömmlichen Computerprogramme können bei der Datenauswertung in die Irre führen, da sie nicht in der Lage sind, die verschiedenen archäologischen Quellen eindeutig zu unterscheiden: Denn die üblichen Rechenvorschriften wenden pauschale Vorannahmen über die Datenstruktur an, auch wenn über diese Strukturen nichts bekannt ist. Das führt zu falschen Ergebnissen, weil Daten zu Gruppen zusammengefasst werden, in die sie nicht hineingehören.

Die Obsidianwerkstücke, hier als farbige Punkte dargestellt, lassen sich aufgrund der Herkunft ihres Rohmaterials mithilfe der AI zu abgegrenzten Gruppen ordnen.
Illustration: Michael Thrun

Die Autoren nutzten stattdessen einen neuen Ansatz, der sich des maschinellen Lernens bedient und ohne derartige Vorannahmen auskommt: Das Verfahren basiert auf einem Schwarm selbständiger Softwareeinheiten, die miteinander und mit ihrer Umgebung interagieren, um kollektiv intelligentes Verhalten hervorzubringen. Die Methode war bereits Anfang dieses Jahres in der Fachzeitschrift "Artificial Intelligence" veröffentlicht worden.

Vorliebe für lokale Obsidianquellen

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass dieser Ansatz für eine unvoreingenommene Analyse von archäologischem Material geeignet ist", erklärt der Informatiker. Die Untersuchung zeigte ein hohes Maß an Übereinstimmung zwischen den Obsidianwerkstücken und den Proben aus bestimmten Herkunftsorten. Alles in allem sprechen die Befunde dafür, dass die Xalasco-Kultur einen gewissen Grad an Austausch mit weiter entfernt liegenden Siedlungen pflegte, auch wenn die Bewohner von Xalasco im Übrigen eine Vorliebe für nahegelegene, lokale Obsidianquellen an den Tag legten. (red, 2.9.2020)