Der russische Ministerpräsident Michail Mischustin reist noch in dieser Woche nach Belarus.

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Der russische Ministerpräsident Michail Mischustin reist am Donnerstag zu einem Besuch in die belarussische Hauptstadt Minsk. Das teilte das Außenministerium in Moskau am Mittwoch mit. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte seinem Amtskollegen Alexander Lukaschenko in der vergangenen Woche militärische Unterstützung in Aussicht gestellt, sollte sich die Lage weiter zuspitzen. Die Nato rief Russland auf, sich nicht in die Angelegenheiten des Nachbarlandes einzumischen.

Mischustins belarussischer Amtskollege Wladimir Makei, der sich zu Gesprächen in Moskau befand, äußerte die Einschätzung, dass sich die Lage in seinem Land stabilisiere. Er lobte zugleich die Haltung der russischen Regierung in der Krise in Belarus (Weißrussland). Russland habe dabei geholfen, eine Einmischung von außen zu verhindern. Lukaschenko bedankte sich außerdem bei dem staatlich finanzierten russischen Auslands-TV-Sender RT für dessen Unterstützung bei der Berichterstattung, als zahlreiche belarussische Journalisten streikten und sich den Protesten anschlossen.

Belarus unterhält enge politische, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen zu Russland und gehört zu einem von Russland geführten Militärbündnis. Ein bereits beschlossener Unionsstaat der beiden Länder wurde bisher nur sehr begrenzt umgesetzt.

Litauen beschloss Hilfsplan

Litauens Regierung hat am Mittwoch einen Plan zur Unterstützung der Opfer von Repressionen und anderer Bürger im benachbarten Weißrussland (Belarus) gebilligt. Das Hilfsprogramm sieht die Erteilung von Stipendien für weißrussische Studenten und eine erleichterte Visavergabe für Bürger der Ex-Sowjetrepublik vor, teilte die Staatskanzlei in Vilnius mit.

Auch medizinische Hilfe und Rechtsbeistand für Menschen, die Opfer von Gewalt oder Folter bei den Massenprotesten geworden sind, sind Teil des noch im Detail auszuarbeiteten Plan. Nach Angaben von Regierungschef Saulius Skvernelis sei der Plan ein "wichtiges Zeichen der Unterstützung für die Menschen im Nachbarland" und der "erste, aber sicherlich nicht der letzte Schritt" der Hilfe. Weiter beschloss das Kabinett in Vilnius, zusätzliche finanzielle Mittel für die Europäische Humanistische Universität bereitzustellen, die 2004 von der autoritären Führung in Minsk geschlossen wurde und sich daraufhin in Litauens Hauptstadt angesiedelt hat.

USA sollen Sanktionen wegen Wahlbetrugs erwägen

Die USA erwägen unterdessen einem Insider zufolge Sanktionen gegen sieben Belarussen wegen Fälschung der Wahlergebnisse vom 9. August und Gewalt gegen friedliche Demonstranten. "Es ist nur ein minimaler Aufwand, nicht nur die Namen zu veröffentlichen, sondern auch zu zeigen, dass es eine gewisse Rechenschaftspflicht geben muss, wenn Menschen sowohl Wahlen manipulieren als auch mit Gewalt gegen friedliche Demonstranten vorgehen, die grundlegende Versammlungs- und Redefreiheiten ausüben", erklärte ein hochrangiger Beamter des US-Außenministeriums am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters.

Fünf der sieben möglicherweise betroffenen Personen seien bereits am Montag von Estland, Lettland und Litauen mit Sanktionen belegt worden, so der Insider weiter. Die drei baltischen Länder verhängten gegen 30 belarussische Regierungsvertreter Einreiseverbote, darunter auch Präsident Alexander Lukaschenko. Belarus will nun als Vergeltung ebenfalls Sanktionen gegen Personen aus Estland, Lettland und Litauen verhängen, wie Außenminister Makei am Mittwoch erklärte. Auch Russland könne von den USA mit Strafmaßnahmen belegt werden, sollte der Kreml mit Gewalt in Belarus intervenieren, sagte der US-Beamte.

Journalisten festgenommen

Bei den Studentenprotesten gab es nach Angaben des Innenministeriums 95 Festnahmen. Hunderte Studenten waren am Dienstag zum Beginn des neuen Semesters auf die Straße gegangen und hatten etwa die Freilassung aller politischen Gefangenen gefordert. Dabei gingen die Sicherheitskräfte teilweise rabiat gegen friedlichen Demonstranten vor.

Erneut gerieten auch Journalisten ins Visier der Uniformierten. Der Journalistenverband des Landes sprach von rund zehn Medienvertretern, die in Polizeigewahrsam kamen. Das unabhängige Portal tut.by berichtete, dass sechs von ihnen die Nacht in einer Polizeistation verbracht hätten. Sie sollen nun wegen angeblicher Teilnahme an einer nicht genehmigten Demonstration vor Gericht kommen.

Vor der Polizeistation hätten Journalisten in der Nacht Mahnwachen abgehalten, schrieb das Nachrichtenportal weiter. Die Medienvertreter seien während ihrer Arbeit festgenommen worden. Bereits in den vergangenen Tagen waren die Behörden gegen Journalisten vorgegangen. Vielen Medienvertretern wurde die Akkreditierung entzogen.

Umstrittene Wahlen

Belarus, eine ehemalige Sowjetrepublik, unterhält enge politische, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen zu Russland und gehört zu einem von Russland geführten Militärbündnis. Nach den Wahlen am 9. August hatte sich Präsident Alexander Lukaschenko zum Wahlsieger erklärt, wogegen seither Hunderttausende protestierten. Seine Opponentin Swetlana Tichanowskaja ist nach Litauen ins Exil geflohen. Von dort aus diskutiert sie mit der belarussischen Opposition, wie weiter vorgegangen werden soll.

Die Präsidentenwahl ist international umstritten, so erkennt die Europäische Union das Ergebnis nicht an und erwägt ihrerseits Sanktionen. Lukaschenko weist jeglichen Wahlbetrug von sich, und die Regierung in Minsk hat wiederholt den Vorwurf der Misshandlung von friedlichen Demonstranten durch Sicherheitskräfte zurückgewiesen. (APA, red, 2.9.2020)