Eine Person steht im Verdacht, im Auftrag des türkischen Geheimdienstes in Österreich tätig gewesen zu sein.

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Wien – In der Causa um den mutmaßlichen Spionagefall hat sich das türkische Außenministerium zu Wort gemeldet. Ankara weise die "unbegründeten Behauptungen" zurück, erklärte der Sprecher Hami Aksoy laut Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag. Wien sei nicht in der Lage, "der populistischen Rhetorik und seiner Anti-Türkei-Besessenheit zu entkommen".

Und er fügte hinzu: "Wir fordern die österreichische Regierung nachdrücklich auf, die Verfolgung der künstlichen Agenda mit flachen und innenpolitischen Berechnungen über die Türkei einzustellen und mit staatlichem Ernst, gesundem Menschenverstand und aufrichtiger Zusammenarbeit zu handeln."

Am Dienstag hatte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bekanntgegeben, dass eine Person – mehrere Medien schreiben von einer Frau – zugegeben hat, im Auftrag des türkischen Geheimdienstes Landsleute in Österreich bespitzelt zu haben. Eine Anklage steht bevor. Das Außenministerium in Wien bat unterdessen den türkischen Botschafter um ein Gespräch.

Vorfälle zogen sich über zwei Jahre

Fix ist, dass nicht die Wiener Staatsanwaltschaft mit den Ermittlungen betraut ist. Die "Kronen Zeitung" schrieb am Mittwoch, dass es sich bei der Spionin um eine Oberösterreicherin handelt.

Die Spionin soll ursprünglich in der Türkei inhaftiert gewesen sein. Um wieder freizukommen, soll sie zugestimmt haben, im Dienste Ankaras bei Türken und Türkinnen in Österreich beziehungsweise türkischstämmigen Einwanderern zu spitzeln. Auf ähnliche Weise soll die Türkei zwischen 2018 und 2020 laut Innenministerium insgesamt 35 Personen als Informanten rekrutiert haben.

Weitere Details zur Causa halten die Behörden jedoch noch streng unter Verschluss. Bekannt ist bisher nur, dass sich der Vorfall über zwei Jahre zog, nämlich seit 2018. Nicht bekannt ist jedoch bisher, wann das Geständnis abgelegt wurde.

Derzeit sitzen elf österreichische Staatsbürger in türkischer Haft. Weitere 16 Österreicher seien auf freiem Fuß mit einem Ausreiseverbot belegt, hieß es vonseiten des Außenministeriums. Konsularischer Schutz könne nur mit ausdrücklicher Zustimmung der inhaftierten Personen gewährt werden, teilte eine Sprecherin des Ministeriums weiter mit. Für Doppelstaatsbürger seien die Möglichkeiten des konsularischen Schutzes stark eingeschränkt.

Geheimdienstexperte: "Kein echter Spion"

Der Geheimdienstexperte Thomas Riegler hat sich wenig überrascht über die Festnahme einer mutmaßlichen türkischen Spionin in Österreich gezeigt, deren Rolle aber zugleich relativiert. Die Person sei "kein echter Spion, sondern ein Informant", erläuterte er. "Es ist ein altes Gesetz in der Spionage, dass man Leute unter Druck zur Zusammenarbeit überredet", sagte der Experte mit Blick auf die Informationen, wonach die mutmaßliche Spionin zuvor in der Türkei inhaftiert gewesen sei. Auf die Frage nach der Größe des türkischen Informantennetzes in Österreich verwies Riegler auf frühere Schätzungen des damaligen Nationalratsabgeordneten Peter Pilz, dass es "mindestens 200 Informanten" gebe. Dies sei "das größte Netz nach jenem der Russen", so Riegler.

Riegler wies darauf hin, dass die Türkei nach dem gescheiterten Putschversuch im Jahr 2016 "in ganz Europa die Anstrengungen verstärkt" habe. In Frankreich habe es Mordfälle gegeben, in der Schweiz seien Diplomaten wegen eines Entführungsplans ausgewiesen worden. Zudem hätten in Österreich mehrere Staaten "ein Interesse daran, dass sie die Diaspora auskundschaften", verwies Riegler konkret auch auf den Iran und Tschetschenien. (APA, red, 2.9.2020)