Dem Tode entrissen

"Illustrierte Kronen Zeitung" vom 4. September 1910, mit einer spektakulären Notsituation im New Yorker St. Gregory Spital.

Es mochte gegen 3 Uhr nachmittags gewesen sein, als ein Mann, schwer auf dem Arm eines Begleiters gestützt, in die Aufnahmskanzlei des St. Gregory-Hospitales in New York wankte. Die Krankenschwester Miss Moore, die sich gerade in der Kanzlei befand, sah den Mann hilflos auf eine Bank zusammensinken und schon im nächsten Augenblick war sie, so rasch sie nur konnte, die Stiegen in den ersten Stock hinaufgeeilt, um den Stationsarzt zu holen, denn ihr durch jahrelangen Spitalsdienst geschärfter Blick hatte sofort bemerkt, dass der Mann sich in höchster Lebensgefahr befinde.

Der Spitalsarzt, der sich rasch eingefunden hatte, sah den Mann an und bemerkte: "Sieht aus wie eine Morphium-Vergiftung." Über seine Anordnung wurde der Kranke in einen der Säle transportiert, entkleidet und zu Bette gebracht. Das Auskleiden war nicht so einfach, und da es dem Arzt nicht schnell genug ging, wurden jene Kleidungsstücke, die nicht leicht entfernt werden konnten - ebenso wie die Schuhe - einfach vom Körper geschnitten. Nun erst begann die genaue Untersuchung, die nur wenige Augenblicke währte. Dann fassten der Inspektionsarzt Dr. Dietrich und ein zweiter Arzt den fast Besinnungslosen unter den Armen, richteten ihn empor, hoben ihn aus dem Bett und zwangen ihn zu einem raschen Spaziergang von einem Ende des Krankensaales zum anderen. Der Kranke hatte das Bewusstsein ganz verloren, aber die beiden Ärzte schleppten ihn umher. Miss Moore hatte unterdessen einen Kübel mit Eis herbeigeschafft und einige Handtücher daraufgelegt, die als Umschläge dienen sollten. 

Dem Tode entrissen.
Foto: ANNO/Österr. Nationalbibliothek

Bei jedem Vorüberkommen ergriff einer der Ärzte eines der eisgekühlten Tücher und schlang es dem Bewusstlosen um das Gesicht, Hals und Nacken. So ging das eine Viertelstunde. Ab und zu fühlte der zweite Arzt den Pulsschlag des Kranken, bis er plötzlich ausrief: „Die Herztätigkeit vermindert sich, eine Injektion!" Ohne dass der Spaziergang unterbrochen worden wäre, wurde dem Patienten die Injektion gegeben. Einige Minuten später sagte Dr. Dietrich: "Er kommt zu sich."

Mittlerweile hatte der Begleiter des Patienten den Ärzten erzählt, dass er Ferrello heiße und als Setzer in der Druckerei einer großen New Yorker Zeitung beschäftigt sei. Ferrello war, aus unbekannter Ursache, von einem schweren Durchfall mit gleichzeitigem Erbrechen befallen worden. Ein herbeigerufener Arzt hatte ihm „schmerzstillende Tropfen" verschrieben, von denen er stündlich je zehn auf einem Stückchen Zucker nehmen sollte. Da Ferrello nach der ersten Dosis keine lindernde Wirkung verspürte, hatte er den ganzen Inhalt des Fläschchens ausgetrunken.
"Ich hab's ja gleich geahnt," rief Dr. Dietrich aus, "dass es eine Morphiumvergiftung ist. Auf's Bett mit ihm."

Nun wurde Ferrello der Magen ausgepumpt. Es kostete besondere Mühe, dem Patienten den Schlauch in den Mund und dann weiter hinab zu führen. Ferrello, der die Augen geöffnet hatte, machte sie rasch wieder zu. Als das Auspumpen des Magens vorüber war, kam er so weit zu Bewusstsein, dass er, wie der Arzt es wünschte, laut zu zählen begann.
„1, 2, 3, 4".  Wollte er mit dem Zählen aufhören, dann ermunterte ihn einer der Ärzte. Während dieser Zeit wurde Ferrello massiert, und die Wärterin Miss Moore machte mit seinen Armen regelmäßige Bewegungen, ähnlich jenen, die man anwendet, um bei Ertrunkenen die künstliche Atmung einzuleiten. Sie setzte sich dabei an das Fußende des Bettes und ihre Bewegungen waren sehr energisch. Unausgesetzt blickte sie dem Kranken ins Gesicht, bis sie endlich bemerkte, dass die Augen sich voll öffneten und eine leichte Röte auf den wachsbleichen Wangen erschien. Noch eine Injektion, um die Herztätigkeit zu steigern, und wenige Minuten später konnten sich Ärzte und Wärterin sagen, dass sie einen Menschen dem Tode entrissen hätten.

Wie erkennt man den Menschen an den Speisen?

"Grazer Tagblatt" vom 4. September 1905, ermuntert zur richtigen Ernährung. Mit Tipps für Ehefrauen und Gymnasiasten. Ganz wichtig: Hüte dich vor Fischspeisen!

Ein gelehrter Engländer will gefunden haben, dass jede Speisegattung auf den Charakter des Menschen Einfluss übt. Ganz der Parole: "Sage mir, was Du isst und ich sage Dir, was Du bist." Er stellte auch ein kleines Speisenrezept für jedermann auf. So zum Beispiel soll Rindfleisch mutig, ja sogar tollkühn machen. Deshalb möge jeder, der gerne Trübsal bläst, reichlich Rindfleisch essen. Ist einer aber schon gar zu toll, dann esse er Schweinefleisch in größerem Maße und er wird wieder zur Traurigkeit und Schwermut hinneigen. Wenn ein junger Ehemann sich nicht unter den Pantoffel schmiegen will, so gebe ihm seine Gattin nur Kalbfleisch und Kalbsbraten, dadurch wird sein Geist widerstandslos. Will die Gebieterin ihn vollends die Abhängigkeit seines Glückes von ihrer Huld fühlen lassen, so möge sie dem Mann nur reichlich Lammfleisch vorsetzen und er wird sich bald todunglücklich fühlen. Ist der schier unbeugsame Mann denn doch schon einmal von der unerbittlichen Strenge seiner Teuren überzeugt, so möge er nun dahin wirken, dass in größerer Menge Milch und Eier auf den Tisch kommen, denn diese verleihen besonders den Frauen ein sanftes, zärtliches Gemüt.

Doch nicht nur für das profane Leben erteilt der englische Physiologe weisen Rat, er gibt auch den Musendienern ein kleines Vademekum in die
Hand. Hat die Ausbeutung des Stubenknappen sein Nervensystem in allzu vibrierenden Zustand versetzt, dann genieße der Geplagte scharfen Käse und zur Abwechslung einige Eier, die auch zugleich die Muskel stärken. Hat die zehrende Geistesflamme bei der Verstandesarbeit schon allen Phosphor des Gehirns verbraucht, dann genieße man nur fleißig Obst, und bald wird neues Leben hinter die kleinen Fensterscheibchen in die Augen einziehen. Stehst Du, lieber Abiturient, schon vor der Maturitätsprüfung und gedenkst in den letzten zwei Wochen alles zu wiederholen, was Du während Deiner Gymnasialzeit nicht gelernt hast, so genieße möglichst lange zuvor schon fleißig Senf zu allen Gerichten, die solchen zulassen. Doch hüte Dich in dieser Zeit besonders vor Fischspeisen, denn die bringen Dir nur Traurigkeit und Stumpfsinn. Für Dein späteres Hochschulstudium rate ich Dir, möglichst wenig Kartoffeln und Gemüse zu essen, da diese die Langeweile beim Studieren nur gerade noch vergrößern könnten, wie der Physiologe vielleicht selbst empfunden. Diese Speisekarte ist ganz darnach angetan, ebenso viel Freude als Leid in der Welt hervorzurufen. Ob sie sich bewähren wird, muss die Zukunft lehren.

Knoblauch-Königin

"Das interessante Blatt" vom 4. September 1930 zeigt uns die kalifornische Knoblauch-Queen Natividao Martinez.

ANNO/Österr. Nationalbibliothek

Ein Wunder

"Das interessante Blatt" vom 4. September 1919 zeigt, wie
Sommersprossen, Wimmerln, Mitesser auf Nimmerwiederkehr verschwinden. Mit Vorher-Nachher-Vergleich.  

ANNO/Österr. Nationalbibliothek

Es bleibt schön

Das Wetter am 4. September 1930 im "Kleinen Blatt"

ANNO/Österr. Nationalbibliothek

(Kurt Tutschek, 4.9.2020)

Quelle

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