In einer spiralförmigen Bewegung stürzten zwei Schwarze Löcher aufeinander zu. Für eines der beiden war der für uns kaum vorstellbare Vorgang keine Premiere.
Illustration: N. Fischer, H. Pfeiffer, A. Buonanno (Max Planck Institute for Gravitational Physics), Simulating eXtreme Spacetimes (SXS) Collaboration

Die Gravitationswellenobservatorien Ligo in den USA und Virgo in Italien haben nun "ihren bisher dicksten Fisch gefangen", wie es das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik ausdrückt. "Dies sieht nicht so sehr aus wie das Zirpen, das wir normalerweise beobachten", sagt Virgo-Wissenschafter Nelson Christensen. "Dies ist mehr etwas, das "Peng" macht, und es ist das massereichste Signal, das Ligo und Virgo gesehen haben."

Eingegangen ist das Signal mit der Katalognummer GW190521 bereits am 21. Mai 2019. Nach eingehender Auswertung der Daten konnten die daraus gewonnenen Erkenntnisse nun in zwei Fachaufsätzen in den Journalen "Physical Review Letters" und "Astrophysical Journal Letters" vorgestellt werden. GW190521 dauerte nur rund eine Zehntelsekunde und entsprach den letzten spiralförmigen Umläufen zweier Schwarzer Löcher bis zu deren Verschmelzung. Das Signal war den Forschern zufolge sieben Milliarden Jahre bis zur Erde unterwegs und ist damit zugleich das fernste Ereignis, das Gravitationswellendetektoren bisher registriert haben.

Was "mittlerer Bereich" bei Schwarzen Löchern bedeutet

Eines der beiden Schwarzen Löcher hatte etwa die 66-fache Masse unserer Sonne, das andere die 85-fache. Das aus der Verschmelzung resultierende Schwerkraftmonster mit 142 Sonnenmassen sei das erste Schwarze Loch aus dem mittleren Massebereich, das jemals beobachtet wurde, berichten die Forscher.

Mit Dimensionen von hunderten bis tausenden Sonnenmassen sind Mittelschwere Schwarze Löcher deutlich größer als ein Stellares Schwarzes Loch, das aus einem kollabierten Riesenstern entsteht. Aber auch deutlich kleiner als sogenannte Supermassereiche Schwarze Löcher, wie man sie im Kern von vermutlich jeder Galaxie findet. Jenes im Zentrum der Milchstraße, Sagittarius A*, hat etwa 4,1 Millionen Sonnenmassen.

"Trotz der kurzen Dauer konnten wir zeigen, dass das Signal einem entspricht, das wir – wie von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie vorhergesagt – von verschmelzenden Schwarzen Löchern erwarten", berichtete die Direktorin am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, Alessandra Buonanno. "Uns wurde klar, dass wir erstmals Zeuge der Geburt eines mittelschweren Schwarzen Lochs waren, dessen einer Elternteil höchstwahrscheinlich selbst aus einer früheren Verschmelzung eines Doppelsystems hervorgegangen ist."

Masse im "verbotenen" Bereich

Denn die Massen der beiden "Elternteile" bereiten Astrophysikern einiges Kopfzerbrechen, vor allem die größere der beiden. Die lag nämlich in einem Bereich, in dem es gar keine Schwarzen Löcher geben dürfte – zumindest von Beginn ihrer Existenz weg. Nur Sterne bis etwa 130 Sonnenmassen stürzen der Theorie zufolge in einer Supernovaexplosion zu Schwarzen Löchern zusammen, die dann jedoch höchstens 65 Sonnenmassen haben sollten. Schwerere Sterne würden durch wiederholte heftige Ausbrüche so viel Masse verlieren, dass am Ende wieder nur ein Schwarzes Loch mit weniger als 65 Sonnenmassen übrigbleibt.

Noch schwerere Sterne mit mehr als 200 Sonnenmassen könnten dagegen der Theorie zufolge am Ende ihrer Existenz direkt zu einem Schwarzen Loch zusammenstürzen, das dann aber mehr als 120 Sonnenmassen haben sollte. Da klafft also eine große Lücke zwischen den "erlaubten" Werten von 65 und 120 – und eines der beiden Schwarzen Löcher lag mit 85 mittendrin.

Des Rätsels vermutliche Lösung: Was jetzt ein einziges Schwarzes Loch ist, waren ursprünglich drei oder vielleicht sogar vier.
Illustration: LIGO/Caltech/MIT/R. Hurt (IPAC)

Die vorerst einzig plausible Erklärung dafür ist laut den Wissenschaftern, dass es sich zumindest beim größeren der beiden Schwarzen Löcher um einen Wiederholungstäter handelte. Es muss seinerseits bereits das Produkt einer Verschmelzung zweier entsprechend kleinerer Schwarzer Löcher gewesen sein. Es hat den nun beobachteten Prozess also schon einmal durchlaufen – die damalige Gravitationswelle wäre allerdings zu einem Zeitpunkt eingetroffen, als es auf der Erde noch keinen Detektor gab, der es hätte bemerken können. (red, 2.9.2020)