Bei der politischen Debatte gab es eine Diskussion auf Augenhöhe zwischen der Wienerin Kathrin Gaál (SPÖ, links) und der Feldkirchnerin Nina Tomaselli (Grüne).

Foto: Newald

Aus den vorangegangenen Vorträgen war bereits Kritik an der bundesweiten und der Wiener Wohnungspolitik zu vernehmen. Nun hatten die beiden Politikerinnen Kathrin Gaál (SPÖ) und Nina Tomaselli (Grüne) die Möglichkeit, selbst zu Wort zu kommen. Eric Frey moderierte.

STANDARD: Frau Gaál, auf dem Papier klingt alles toll, bei der Umsetzung hapert es aber in Wien. Passiert in der Hauptstadt zu wenig?

Gaál: Ich habe jetzt sehr viele Wünsche gehört. Aber eines kann ich so nicht stehenlassen, dass wir zu wenig in Sachen Sanierung tun, das ist so nicht der Fall. Natürlich gibt es immer die Möglichkeit, etwas zu verbessern. Aber der springende Punkt ist, dass wir es in Wirklichkeit nur gemeinsam lösen können.

STANDARD: Wenn Sie von gemeinsam sprechen, wen meinen Sie damit genau?

Gaál: Gemeinsam heißt, die Leute aus der Praxis, die Bauträger, die Architekten, die Ziviltechniker und so weiter. Die Vorschläge müssen wir durchdiskutieren und dann eben auch gemeinsam umsetzen.

STANDARD: Frau Tomaselli, wenn Sie als Vorarlbergerin nach Wien schauen, wie lautet dann Ihr Fazit, wenn es um die Klimafitness der Baubranche geht?

Tomaselli: Ich finde, ein Punkt ist heute etwas zu kurz gekommen. Verschiedene Regionen in Österreich haben verschiedene Voraussetzungen. Wien lebt ja schon sehr energieeffizient. Das liegt an der Wohnform. Wer in einem Mehrfamilienhaus wohnt, wohnt grundsätzlich relativ klimafit. So schlecht kann ein Mehrfamilienhaus gar nicht gebaut sein, dass man pro Kopf so viel Energie verbraucht wie ein Einfamilienhaus. Als ich den Titel "Konservieren oder Verdichten" gelesen habe, dachte ich mir als Vorarlbergerin, was das für eine Frage sei. Wir sind zersiedelt, wir müssen verdichten, um konservieren zu können.

STANDARD: Ist man da auf dem Land der Stadt Jahrzehnte hinterher?

Tomaselli: Nein, das kann man auch nicht sagen. Es ist einfach eine andere Form des Wohnens. Und da brauche ich unter Umständen auch ganz andere Maßnahmen. In ländlichen Gebieten muss ich gar nicht mehr von Neubau reden. Dort müssen wir in die Sanierung, in den Bestand rein.

STANDARD: Frau Gaál, heute wurden unter anderem auch Stimmen laut, die der Stadt vorwerfen, sich nur auf den klimafitten Neubau zu konzentrieren. Letztlich auch, weil ein Neubau beeindruckender und besser zu vermarkten ist. Ist da was dran?

Gaál: Ich habe auch schon viele beeindruckende Sanierungen besuchen und eröffnen dürfen. Es muss beides Hand in Hand gehen. Wir haben bei den Bauträgerwettbewerben ja schon lange die wichtige Säule der Ökologie. Wir haben vor kurzem die Entwicklung am Nordwestbahnhof präsentieren dürfen, und da wird neben dem leistbaren Wohnen auch ein zehn Hektar großer Park entstehen. Aber natürlich ist die Sanierung genauso wichtig. Wir müssen die Eigentümer, die Bauträger, die Architekten unterstützen. Das versuchen wir auch. Wenn wir über Zahlen reden, dann stecken wir schon ein paar Hundert Millionen Euro in Sanierungsprojekte.

STANDARD: Aber in den Neubau fließen Milliarden.

Gaál: Nein. Auch viel Geld, auch Millionen, aber ich möchte das nicht gegeneinander ausspielen.

STANDARD: Frau Tomaselli, wie sehen Sie die Balance zwischen Neubau und Bestandssanierungen?

Tomaselli: In der politischen Zielvorstellung ist die Priorität die richtige. Was wir aber noch nicht gefunden haben, ist ein wirksames Instrument. Eine Sache ist die Förderung, das ist aber viel zu kurz gegriffen. Wir müssen andere Instrumente drumherum schaffen. Die Gemeinnützigen sind die einzige Branche, welche die drei Prozent Sanierungsrate einhält. Wir müssen uns anschauen, woran das liegt. Ich glaube, ein wesentlicher Punkt ist, dass über den Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag (EVB, Anm.) Rücklagen geschaffen werden, die im privaten Sektor fehlen. Deshalb haben wir im Regierungsprogramm vorgesehen, ebenfalls verpflichtende Rücklagen zu verankern.

STANDARD: Frau Gaál, die Kluft zwischen gemeinnützigem und privatem Sektor ist groß. Was kann man tun?

Gaál: Das stimmt, und da muss auf unterschiedlichen Ebenen etwas passieren. Der eine Bereich ist die Förderung. Ein anderer ist, die Eigentümer zu servicieren. Beim Wohnservice Wien haben wir vergangenes Jahr ein Forum eröffnet, in dem wir ein Mal pro Monat eine Beratung abhalten, um es den Eigentümern schmackhaft zu machen, diesen Service auch in Anspruch zu nehmen. Natürlich müssen wir gesetzlich etwas machen. Vergangenes Jahr haben wir eine Bauordnungsnovelle geschaffen, wo wir auch das Thema Klimafitness berücksichtigt haben. Etwa im Bereich Photovoltaikanlagen, die nun verpflichtend für Wohn- und Bildungsgebäude sind.

STANDARD: Frau Gaál, gibt es von Ihrer Seite Wünsche an die Regierungsparteien?

Tomaselli: Nur wenn wir zurückwünschen dürfen!

Gaál: Einen kleinen Wunsch hätte ich: ein transparenteres Mietrecht. Wien hält seine schützende Hand über den geförderten und den Gemeindebau, aber im privaten Wohnungsmarkt gibt es noch etwas zu tun. (Protokoll: Thorben Pollerhof, 4.9.2020)