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Aufgrund des Coronavirus konnte Präsidentschaftskandidat Joe Biden bisher nur wenige Wahlkampfreisen durchführen.

Foto: AP / Carolyn Kaster

Kenosha – Nach dem umstrittenen Besuch von US-Präsident Donald Trump in Kenosha reist auch sein Herausforderer Joe Biden in die von Unruhen bei Protesten gegen Rassismus erschütterte Stadt. "Mein Ziel wird sein, einen positiven Einfluss auf das Geschehen zu haben", sagte Biden vor dem Besuch am Donnerstag. "Wir müssen heilen."

Biden wird am Donnerstag gemeinsam mit seiner Frau Jill in die Stadt im Mittleren Westen reisen. Er wolle "Amerikaner zusammenbringen um zu heilen, und die derzeitigen Herausforderungen ansprechen", erklärte sein Wahlkampfteam. Biden gibt sich in Abgrenzung zu Trump als Versöhner, der die Spannungen im Land abbauen will.

Die Proteste in Kenosha waren von Schüssen in den Rücken eines Schwarzen bei einem Polizeieinsatz ausgelöst worden. Trump hatte sich dort am Dienstag mit Vertretern von Sicherheitsbehörden sowie Unternehmern getroffen, die von den Krawallen betroffen waren. Ein Treffen mit der Familie des 29-jährigen Afroamerikaners Jacob Blake, der die sieben Schüsse schwer verletzt überlebte, gab es jedoch nicht. Biden werde sich hingegen mit Blakes Familienmitgliedern treffen, sagte eine Sprecherin seines Wahlkampfteams dem Nachrichtensender CNN.

Bürgermeister und Gouverneur gegen Trump-Besuch

Biden sagte vor der Reise auch, der Polizist, der auf Blake schoss, sollte seiner Ansicht nach angeklagt werden – auch wenn letztlich die Ermittlungen ihren Weg gehen müssten. Justizminister William Barr kritisierte daraufhin in einem CNN-Interview, es sei "unangemessen", sich dafür auszusprechen, bevor die Untersuchungen abgeschlossen seien. Barr selbst sagte zugleich ohne weitere Details, Blake sei dabei gewesen, ein Verbrechen zu begehen, und sei bewaffnet gewesen.

Trump reiste nach Kenosha, obwohl sich der Bürgermeister der Stadt und der Gouverneur des Bundesstaates Wisconsin, die beide der Demokratischen Partei angehören, gegen einen Besuch des Republikaners ausgesprochen hatten. Bürgermeister John Antaramian hatte ursprünglich auch Biden aufgerufen, mit einer Reise zu warten, nahm dies aber nach Trumps Besuch wieder zurück.

"Farbe ist keine Munition"

Auf Fernsehbildern von Trumps Treffen in der Stadt waren weder der Bürgermeister noch Gouverneur Tony Evers zu sehen – dafür aber Polizeichef Daniel Miskinis und Sheriff David Beth, die dem Präsidenten für die Unterstützung dankten. Trump hatte Sicherheitskräfte der Bundesregierung nach Kenosha entsandt, nachdem der Gouverneur bereits die Nationalgarde aktiviert hatte.

Trump hatte Gewalt am Rande von Protesten – speziell in von Demokraten regierten Städten – zu einem zentralen Thema in seinem Wahlkampf gemacht. Zugleich weigerte er sich, Gewalt durch seine Anhänger zu verurteilen. So sagte der Präsident zu einem Video aus der Stadt Portland, auf dem zu sehen war, wie aus einem Autokorso von Trump-Befürwortern mit einem Paintball-Gewehr auf Demonstranten geschossen wird: "Farbe ist keine Munition."

Trump verteidigt Todesschützen

Trump hatte die Debatte über seinen Besuch noch angeheizt, indem er am Montag einen 17-jährigen Weißen verteidigte, der am Rande der Proteste in Kenosha zwei Menschen erschoss. Das waren die beiden einzigen Todesopfer während der Proteste in Kenosha. Trump gab zu bedenken, Demonstranten hätten den Teenager "sehr gewalttätig" attackiert und er "wäre wohl getötet worden", hätte er sich nicht zur Wehr gesetzt.

Ein Video von Augenzeugen zeigt, wie der mit einem Gewehr bewaffnete Schütze vor Demonstranten wegrennt. Das war bereits nachdem er einen Mann tödlich verletzt hatte. Auf dem Video ist zu sehen, wie Leute versuchen, ihn zu stoppen. Er stürzt und erschießt einen Mann, der nach seinem Gewehr zu greifen scheint. Der 17-Jährige wurde wegen zweifachen Mordes angeklagt, sein Anwalt spricht von Selbstverteidigung.

Auf dem Video ist auch zu sehen, dass der Schütze danach mit erhobenen Händen auf herannahende Polizeifahrzeuge zugeht – die an ihm vorbeifahren. Er wurde erst am Tag darauf im benachbarten Bundesstaat Illinois festgenommen. Das löste Kritik unter anderem von Blakes Vater aus, der von "zwei Justizsystemen" in Amerika sprach.

Kaum Wahlkampfreisen wegen Corona

Kenosha steht beispielhaft für die Spannungen im Land, die Trumps Regierungszeit prägen. Kritiker werfen dem Präsidenten vor, die Spannungen gezielt anzuheizen, um sich im Wahlkampf als Garant für Recht und Ordnung darstellen zu können. Der Rechtspopulist wirft seinem Herausforderer Biden dagegen Schwäche im Umgang mit Gewalt und Kriminalität vor. Er zeichnet seit Wochen des Schreckensszenario von Chaos und Anarchie, sollte Biden die Präsidentschaftswahl am 3. November gewinnen. In Umfragen liegt der Amtsinhaber derzeit hinter dem früheren Vizepräsidenten.

Wegen der Corona-Pandemie hat Biden in den vergangenen Monaten aber kaum seinen Heimatstaat Delaware verlassen und keine Wahlkampfauftritte vor Anhängern absolviert. Trump dagegen genießt als Präsident und mit seinen polemischen Äußerungen und Auftritten große Medienaufmerksamkeit.

Biden kündigte zuletzt ebenfalls Wahlkampfreisen an. Er will insbesondere Bundesstaaten besuchen, die bei der Präsidentschaftswahl besonders umkämpft sein dürften, sogenannte Swing States. Dazu zählt auch Wisconsin. Trump hatte den Bundesstaat bei der Wahl 2016 mit äußerst knappem Vorsprung gegen die Demokratin Hillary Clinton gewonnen. Neben Wisconsin wird im November auch auf Bundesstaaten wie Pennsylvania, Michigan, North Carolina und Florida ein besonderes Augenmerk liegen. Beobachter erwarten dort ein enges Rennen zwischen Biden und Trump. (APA, 3.9.2020)