Als Denkmalschutzbehörde für Vestfold und Telemark sind wir es gewohnt, über auffällige Aktivitäten auf den von uns betreuten Fundstellen informiert zu werden. Es ist schon öfter vorgekommen, dass uns Spaziergänger über illegale Aktivitäten von Sondengängern informiert haben, sodass wir die Polizei rufen und die weitere Zerstörung archäologischer Bodenschätze verhindern konnten. Auch Vandalenakte, wie sie zum Beispiel bei den Steingräbern in Mølen vorkommen, werden von uns aufgenommen, um die entsprechenden Maßnahmen, etwa Restaurierung, in die Wege leiten zu können.

Als uns vor einigen Wochen an einem Sonntagnachmittag ein Wanderer anrief und von Hühnerteilen, Kerzen und geheimnisvollen Mustern auf eisenzeitlichen Begräbnisstätte Istrehågan in Larvik erzählte, waren wir doch einigermaßen überrascht.

Die Überreste des schwarzen Hahns in Istrehågan.
Foto: VTFK/Ragnar Orten Lie

Historiker Ragnar Orten Lie setzte sich kurzerhand an seinem freien Tag ins Auto, um der Sache nachzugehen, und fand innerhalb der schiffsförmigen Steinsetzung tatsächlich die Überreste eines geköpften schwarzen Hahns, mehrere Kerzen und ein großflächiges Muster, wohl aus Backpulver oder Maisstärke, auf den Boden "gemalt".

Geheimnisvolle Zeichen, mit Maisstärke oder Backpulver auf den Boden "gemalt".
Foto: VTFK/Ragnar Orten Lie

Nach einigen Diskussionen tippten meine Kollegen zuerst auf ein Ritual aus dem Umfeld des sogenannten Neopaganismus, auch Neuheidentum genannt. Wikipedia definiert Neopaganismus als "seit dem 19. Jahrhundert aufgekommene religiöse und kulturelle Strömungen, die sich vor allem an antikem, keltischem, germanischem und slawischem Heidentum sowie an außereuropäischen ethnischen Religionen orientieren". Ein bekanntes Beispiel für den Neopaganismus sind zum Beispiel die Neuzeitlichen Druiden, die im Vereinigten Königreich als Druid Network 2010 offiziell als Religion anerkannt wurden.

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Neuzeitlicher Druide vor Stonehenge.
Foto: AP /Ben Birchall

Das Muster auf dem Boden erinnerte auch ein wenig an die Sigillen im isländischen Grimoire Galdrabók, einem kleinen Manuskript aus dem späten 16. und 17. Jahrhundert, das eine Sammlung von 47 Zaubersprüchen enthält. Diese Interpretation war allerdings ein bisschen wackelig. Ragnar aktivierte darum sein weitreichendes Netzwerk an Kollegen mit der Bitte um fachliche Hilfe und musste auch nicht lange warten.

Religionswissenschafter Fredrik Gregorious von der schwedischen Universität Linköping und Anne Kalvig von der norwegischen Universität in Stavanger identifizierten die Elemente, vor allem das "aufgemalte" Muster, als sogenanntes "Veve", ein grafisches Symbol, das den Baron Samedi, ein übernatürliches Wesen des Voodookults, repräsentiert. Es zeigte sich auch, dass ähnliche Überreste seit vielen Jahre immer wieder in Istrehågan gefunden werden.

Das Veve des Barons Samedi zwischen der Steinsetzung.
Foto: VTFK/Ragnar Orten Lie

Für uns stellte sich jetzt die Frage, wie wir als Denkmalschutzbehörde darauf reagieren sollten. Schließlich besteht eine unserer Aufgaben darin, die Monumente und Fundstellen zu schützen, sodass sie heutigen und zukünftigen Generationen zur Verfügung stehen und von ihnen genutzt werden können. Schließt das ein Voodoo-Ritual mit ein? Die eisenzeitliche Fundstelle Borre mit ihren monumentalen Grabhügeln ist da ein gutes Beispiel: Der archäologische Park ist öffentlich zugänglich und wird von Spaziergängern, Sportlern und Naturliebhabern genauso genutzt wie für Metalfestivals, zum Fußballspielen und für Heiratsanträge (gerüchteweise auch zur Fortpflanzung). Warum also nicht auch Voodoo in Istrehågan?

Diese Frage wurde auf unseren Facebook-Beitrag hin von vielen Nutzern heiß diskutiert, mit Argumenten dafür und dagegen. Vor allem die Tatsache, dass der arme schwarze Hahn sein Leben lassen musste, stieß auf viel Kritik. Die Resonanz sorgte auch dafür, dass es Istrehågan landesweit in die Presse schaffte. Zu guter Letzt meldete sich ein norwegischer Voodoopriester zu Wort und versuchte, die Gemüter zu beruhigen und zu erklären.

Vor allem der geköpfte schwarze Hahn erregte die Gemüter.
Foto: VTFK/Ragnar Orten Lie

Rückblickend fanden wir die ganze Sache vor allem aus der denkmalschützerischen Perspektive äußerst spannend und auch ein wenig amüsant. Was unsere Haltung bezüglich der zeitgenössischen Nutzung geschützter Fundstellen angeht, sind wir an das norwegische Gesetz gebunden, und das schreibt vor, dass die von uns geschützten Fundstellen der Allgemeinheit zur Verfügung stehen müssen. In einem sind wir uns aber mit den meisten Norwegern einig: Was auch immer man im Schutze der Dunkelheit in Istrehågan treibt – es wäre schön, wenn hinterher aufgeräumt werden würde. (Petra Schneidhofer, 3.9.2020)