Ein Kinderchirurg und ein Anesthäsist müssen sich wegen grob fahrlässiger Tötung vor dem Salzburger Landesgericht verantworten.

Foto: Stefanie Ruep

Salzburg – Nach sieben Monaten Pause ging am Donnerstag der Prozess gegen zwei Ärzte am Salzburger Landesgericht im Fall David weiter. Die Staatsanwaltschaft wirft einem 59-jährigen Kinderchirurgen und einem 47-jährigen Anästhesisten grob fahrlässige Tötung vor. Der 17 Monate alte David verstarb im April 2018 im Salzburger Landeskrankenhaus.

Elf Tage zuvor wurde ein kleiner Eingriff vorgenommen, nachdem sich das Kleinkind einen Blutschwamm im Gesicht aufgekratzt hatte. Obwohl der Bub zwei Stunden zuvor Joghurt mit Früchten und Rote Rüben gegessen hatte, entschieden die Ärzte, ihn zu operieren. Das Kleinkind atmete Erbrochenes ein, das Gehirn war mit Sauerstoff unterversorgt.

Nüchternheit nicht abgewartet

Laut Anklage der Staatsanwaltschaft sei die Operation zu früh durchgeführt worden. Der Chirurg habe zu kurze Zeit versucht, die Blutung mit konservativen Maßnahmen zu stillen, der Narkosearzt bei der Sedierung nicht abgewartet, bis das Kind nüchtern ist. Die beiden angeklagten Ärzte verteidigten ihr Vorgehen vor Gericht und bekannten sich nicht schuldig.

Am Donnerstag sagte die Oberärztin der Anästhesie, die als Erste zu der Notsituation in den OP-Saal gerufen worden war, als Zeugin aus. Die Beteiligten hätten sich in einer Art Schockstarre befunden. Sie habe ein Kind in Seitenlage gesehen, ohne Lebenszeichen. "Ich sagte, dreht das Kind auf den Rücken", sagte die Zeugin. "Da war überall rosa Erbrochenes." Die Kollegen hätten dann reanimiert und sie damit begonnen, die Atemwege freizumachen. Es musste extrem viel abgesaugt werden. "Die Lunge war so voll mit Erbrochenem, dass es nicht möglich war, Sauerstoff hineinzupumpen", schilderte die Ärztin. Beim dritten Versuch sei es ihr dann gelungen, das Kind zu intubieren.

Auf die Frage von Richterin Gabriele Glatz, ob sie selbst noch gewartet hätte mit der OP, antwortete die Zeugin mit: Ja, sie hätte die empfohlene Nüchternheit von sechs Stunden abgewartet. Zudem hätte sie in dem Fall ein EKG angelegt, was während des Eingriff bei David fehlte.

Keine lebensbedrohliche Blutung

Der kinderchirurgische Sachverständige sagte aus, dass "die Wahrscheinlichkeit einer lebensbedrohlichen Blutung nicht gegeben" war. Die Wunde hätte wohl auch mit einer mechanischen Kompression gestoppt werden können. Trotzdem erachtete er die Operation als notwendig, "weil es immer wieder zu bluten begonnen hätte", sagte der Gutachter. Mit einer Lokalanästhesie sei das bei einem Kleinkind "absolut unmöglich" gewesen.

Eigentlich war für den Donnerstag das Urteil erwartet worden. Doch der Prozess wurde am Nachmittag erneut vertagt, da Richterin Glatz ein neues Anästhesie-Gutachten einholen wollte – denn der Gutachter hatte bei seiner mündlichen Ausführung erklärt, dass die Sechs-Stunden-Regelung, der zufolge man abwarten müsse, bis ein Patient nüchtern sei, nur für eine Vollnarkose gelte, nicht aber für die in diesem Fall durchgeführte Sedoanalgesie. Im schriftlichen Gutachten hatte er dies jedoch nicht ausgeführt. Die beiden als Zeuginnen befragten Ärztinnen hatten ausgesagt, sie hätten mit der Operation noch abgewartet. Diese Diskrepanz will die Richterin mit einem neuen Gutachten klären lassen. Der Strafrahmen sieht im Falle einer Verurteilung bis zu drei Jahre Haft vor. (Stefanie Ruep, 3.9.2020)