An Anschober bewährt sich die Maxime "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser", muss er sich doch fast schon routinemäßig vom Verfassungsgerichtshof auf die Finger klopfen lassen.

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Nachdem die Nation zwei Jahre lang auf ein Licht am Anfang des türkisen Tunnels vergeblich gewartet hat, vertröstet der Bundeskanzler nun auf das Ende eines Tunnels, dessen Länge davon abhängen soll, wann er die österreichische Menschheit seines Fiat Lux für würdig erachtet. Vor allem das eigene politische Wohlergehen im Tunnelblick, kann es einen anderen Termin gar nicht geben, bei einem Regierungschef, der erst neulich von hunderttausend Corona-Toten gefaselt hat und jetzt einen "normalen" Sommer 2021 vorhersagt. Beides, ohne dafür irgendeine sachliche Begründung vorweisen zu können, aber stets im Bestreben, einem Gesundheitsminister, der auch über kein besser gesichertes Wissen verfügt, ja nicht die Rolle des konzessionierten Krisenpropheten allein zu überlassen.

Die Palaververdichtung, mit der sich die beiden innerhalb einer Woche am Virus emporzuranken bemühten, hat wieder einmal nichts Konkretes zum Thema gebracht, aber den Verdacht genährt, ein großer Teil des Unbehagens, an dem die Bevölkerung unter ihrem Virenregime leidet, werde von denen verursacht, die es zu bekämpfen vorgeben. Es dürfte wenig zur Volksgesundheit beitragen, aber einiges zur Beurteilung der Koalitionsqualität, wenn Kanzler und Minister einander ein Duell um die Corona-Hegemonie liefern, bei dem die Normalität des nächsten Sommers mit der Prophezeiung eines Impfstoffs schon im Jänner ausgestochen werden sollte. Übrig blieb als gesicherte Erkenntnis: Im Tunnel ist es finster.

Vertuscht sollte das Knirschen im Gebälk durch wechselseitige Loyalitätsbekundungen werden, wobei sich der Bundeskanzler an Unglaubwürdigkeit selbst übertraf, als er mit der herablassenden Attitüde des Seniorchefs meinte: "Der Gesundheitsminister genießt mein Vertrauen." Rudolf Anschobers Genuss muss sich in engen Grenzen halten, wenn man bedenkt, dass erst neulich ein H.-C. Strache das Vertrauen des Kanzlers genossen hat. Und wer würde Sebastian Kurz schon unterstellen, er vertraute jemandem, dessen Popularitätswerte derzeit den seinen nahekommen?

An Anschober bewährt sich übrigens die Maxime "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser", muss er sich doch, wenn er sich an einem Fiat Lex versucht, fast schon routinemäßig vom Verfassungsgerichtshof auf die Finger klopfen lassen. Was ihm nicht reicht, forderte er doch die Hörer seiner einstündigen Replik auf die Erklärung von Kurz ausdrücklich auf: "Kritisieren Sie mich, ich kann damit umgehen." Was selbstkritisch klingen sollte, war aber durchaus als Spitze gegen den Bundeskanzler zu verstehen, dessen Lust, mit Kritik an seiner Person umzugehen, etwa seiner Begeisterung entspricht, ein paar Migranten aus Griechenland aufzunehmen. Ob sich damit Anschobers "Comeback des Miteinanders" koalitionär absichern lässt, das die Türkisen nur der Lücke gehorchend, die Strache hinterlassen hat, tolerieren, die Grünen hingegen als Strohhalm ersehnen, bleibt in der Finsternis des Tunnels zunächst offen.

Nach einer Woche, in der der Innenminister auch noch mit der Entlarvung eines zwischen Anatolien und Favoriten operierenden Spions glänzte, war des Kanzlers Appell an den Hausverstand der Regierten fast schon eine Erleuchtung des Tunnels. (Günter Traxler, 3.9.2020)