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Putin und Merkel sind die letzten Dinosaurier, der Russe ist sogar noch länger an der Macht als sie selbst.

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Es waren nur wenige Zeilen, die die deutsche Bundesregierung der Vergiftung des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny widmete, und später nur einige Minuten, die Bundeskanzlerin Angela Merkel aufbrachte.

Doch die Stellungnahmen hatten es in sich. In nie dagewesener Deutlichkeit und Härte ging eine Botschaft von Berlin nach Moskau, und mit Liebesgrüßen hatte diese so gar nichts zu tun. Undiplomatisch ausgedrückt, ist Merkel der Kragen geplatzt. Oder: Sie hat die Nase voll von Moskaus Abwiegeln und Unschuldslamm-Attitüde im Fall Nawalny.

Es waren jene Worte, die viele schon sehr viel länger von Merkel eingefordert hatten, die die Kanzlerin aber bisher vermieden hat – trotz der Annexion der Krim, trotz des Giftanschlags auf den ehemaligen russischen Geheimdienstler Sergej Skripal und seiner Tochter Julia, trotz der "Hinrichtung" eines Georgiers mitten am Tag im Kleinen Berliner Tiergarten, bei dem die Generalbundesanwaltschaft von einem Auftrag durch "staatliche Stellen" in Russland ausgeht.

Merkel, so kann und muss man nach dieser Kampfansage annehmen, will es nicht mehr bei der bisher vergleichsweise wohldosierten Kritik belassen, sondern schlägt jetzt eine härtere Gangart ein.

Eine Änderung der Strategie oder der langen politischen Linien hat man bei ihr schon oft beobachten können. Dies erfolgte meist, wenn sie und die Union davon profitieren konnten. Doch von derlei Gewinn ist im Fall Nawalny vorerst nichts zu merken. Im Gegenteil: Die ohnehin schwierigen russisch-deutschen Beziehungen sind an einem Tiefpunkt angelangt.

Das kann Merkel nicht egal sein. Sie hat Wladimir Putin immer auch als Akteur auf der Weltbühne gesehen, den man nicht ignorieren kann. Möglicherweise aber sind es der Mut und die Entschlossenheit ihres absehbar letzten Amtsjahres als Kanzlerin, die sie nun antreiben.

Unzählige Staats- und Regierungschefs hat sie seit ihrem Amtsantritt 2005 kommen und gehen sehen. Putin und sie sind die letzten Dinosaurier, der Russe ist sogar noch länger an der Macht als sie selbst.

Es geht dabei nicht um ein Duell zwischen ihr und Putin, sondern – um im Bild zu bleiben – um einen Zweikampf der Werte, und dafür will Merkel auch die EU mobilisieren. Bis heute ist es ihr nicht gelungen, die Aufnahme und Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU so zu organisieren, wie es nicht nur ihr selbst gerecht scheint.

Maßgeblich jedoch treibt die Langzeitkanzlerin nun den wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas voran. Die Zähmung Putins – oder vielmehr der Versuch – ist vielleicht ihr letzter Kraftakt während der deutschen EU-Präsidentschaft.

Er wird aber wirkungslos bleiben, wenn Merkel ihren scharfen Worten nicht auch Taten folgen lässt. Wie sie hier, und im Speziellen bei der Gaspipeline Nord Stream 2, den Spagat zwischen dem Wirtschaftspartner Putin und dem Demokratiefeind Putin hinbekommen will, ist jedoch nicht absehbar. (Birgit Baumann, 3.9.2020)