Der Hauptangeklagte Marian Kočner (Mitte) bleibt in Haft. Er wurde bereits wegen Betrugs – nicht rechtskräftig – zu 19 Jahren verurteilt.

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Im Zweifel für die Angeklagten. So lässt sich die Urteilsbegründung zusammenfassen, mit der am Donnerstag im westslowakischen Pezinok der Prozess rund um die Ermordung des Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová zu Ende ging.

Die beiden Hauptangeklagten, der umstrittene Geschäftsmann Marian Kočner und die Dolmetscherin Alena Z., wurden aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Sie waren beschuldigt worden, die Drahtzieher des Mordes gewesen zu sein. Die Staatsanwaltschaft will beim Höchstgericht Berufung einlegen.

Einen Schuldspruch gab es für den dritten Angeklagten, den Ex-Polizisten Tomáš S. Das Gericht erachtet seine direkte Beteiligung an der Tat als erwiesen und verurteilte ihn zu 25 Jahren Haft. Schuldiggesprochen wurde S. zudem wegen eines anderen Mordes im Jahr 2016.

Schuldsprüche

Im Mordfall Kuciak hatte es zuvor bereits zwei weitere Urteile gegeben: Der Todesschütze, der ehemalige Soldat Miroslav M., hatte die Tat gestanden und war im April zu 23 Jahren Haft verurteilt worden. Ein weiterer Beschuldigter, Zoltán A., der als Vermittler fungiert haben soll, hatte sich auf eine Kronzeugenregelung eingelassen und ebenfalls umfassend ausgesagt. Das Urteil gegen ihn: 15 Jahre Gefängnis.

Trotz Freispruchs wird der Unternehmer Kočner nicht aus der Haft entlassen: Erst kürzlich wurde er in einem anderen Prozess wegen Wechselbetrugs zu 19 Jahren Gefängnis verurteilt, die Entscheidung ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Auch Alena Z. befindet sich nicht in Freiheit: Sie wurde unmittelbar nach ihrer Entlassung erneut festgenommen, ihr wird auch die Planung weiterer Morde zur Last gelegt.

Keine direkten Beweise

Gerade auf die Aussagen des Kronzeugen A. hatte die Staatsanwaltschaft große Hoffnungen gesetzt. Das Gericht sah diese aber durch keine der anderen Indizien bestätigt. Überhaupt hätte es keine direkten Beweise dafür gegeben, dass Marian Kočner den Mord in Auftrag gegeben und dass Alena Z. im Hintergrund die Fäden gezogen hätte. Auch in den verschlüsselten und von den Behörden dechiffrierten Handy-Chats zwischen den beiden, die in der Slowakei zur weitverbreiteten Lektüre geworden sind, wollte das Gericht keine stichhaltigen Beweise erkennen.

Ján Kuciak und Martina Kušnírová waren im Februar 2018 in ihrem Haus in der Westslowakei erschossen worden. Beide wurden nur 27 Jahre alt. Der Journalist Kuciak hatte immer wieder über diverse Korruptionsaffären berichtet – und auch über die Geschäfte des politisch bestens vernetzten Kočner. Dieser hatte Kuciak deshalb sogar telefonisch bedroht und war bald ins Visier der Ermittler geraten.

Der Mord und die anschließenden Untersuchungen lösten in der Slowakei die größten Massenproteste seit der Wende des Jahres 1989 aus. Premier Robert Fico und sein Innenminister mussten zurücktreten. Entsprechend emotional sind nun die Reaktionen auf den Freispruch. Premierminister Igor Matovič, der erst seit März im Amt ist, erklärte via Facebook: "Es sieht so aus, als würden sich die offensichtlichen Drahtzieher des Mordes aus den Klauen der Gerechtigkeit winden wollen."

Hoffen auf Höchstgericht

Besonnener klang die Stellungnahme des Verlags Ringier, für dessen Nachrichtenportal aktuality.sk Kuciak gearbeitet hatte: Über Schuld oder Unschuld entscheide nur das Gericht. Man hoffe aber weiterhin, dass "alle Täter" ihre gerechte Strafe erhalten würden.

Auch die liberale Staatspräsidentin Zuzana Čaputová, die sich zunächst "schockiert" gezeigt hatte, respektiert die 2:1-Entscheidung des dreiköpfigen Richtersenats. Mehr Klarheit erhofft aber auch sie sich von der anstehenden Berufungsverhandlung vor dem Höchstgericht: "Wir müssen die Wahrheit wissen", so Čaputová. (Gerald Schubert, 3.9.2020)