Nicht nur in den Hotels in Wien ist tote Hose, auch im Prater fehlen die Touristen aus aller Welt, die sich vergnügen wollen.

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Wien – Die von der Wirtschaftskammer eingerichtete Taskforce Tourismus hat Herkulesaufgaben vor sich. Binnen zwei Wochen soll sie Hilfen für die an ausgeprägtem Gästemangel leidende Stadthotellerie ausarbeiten. Der Druck von Krankenkassenbeiträgen, Steuern und Abgaben sei enorm, hier brauche es dringend Linderung, sagen Branchenvertreter. Es brauche dringend weitere Stundungen oder, noch besser, die Umwidmung der verlorenen Beiträge in sogenannte verlorene Zuschüsse. Denn mit Ratenvereinbarungen würden die Zahlungen zwar verschoben, aber das funktioniere nicht ad infinitum.

"Irgendwann kommt die Krankenkasse und treibt dich in die Insolvenz", sagt eine Hotelbetreiberin zum STANDARD. Mehr als die Hälfte der Insolvenzanträge werde von den Sozialversicherungsträgern gestellt. Davor dürfe man die Augen nicht verschließen. Ohne Zuschüsse werde das nicht zu stemmen sein, denn ohne Gäste seien die Mieten der Hotels für die Betreiber nicht zu stemmen. Im Herbst drohe eine dramatische Schließungswelle, denn in Corona-Zeiten könne man von Kongressen und Fernreisenden nur träumen. Allein in Wien gebe es vielleicht zwei Dutzend Hotels, wo der Betreiber zugleich der Besitzer ist, der große Rest zahle Mieten, deren Absenkung nicht von allen Vermietern ausreichend gewährt werde.

Nicht rentabel

Derzeit sei die österreichische Stadthotellerie betriebswirtschaftlich nicht nachhaltig führbar. "Es können gar nicht alle offen haben. Für manche ist es günstiger, geschlossen zu haben", sagte Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer. Susanne Kraus-Winkler, Obfrau des Fachverbands Hotellerie in der Kammer, schätzt, dass im September 70 bis 80 Prozent der Betriebe geöffnet haben. Besonders schwer getroffen sind vom Ausbleiben ausländischer Touristen Wien, Salzburg und Innsbruck. Mit 17,6 Millionen Nächtigungen im Jahr 2019 stellt Wien den Löwenanteil der österreichischen Nächtigungsbilanz.

Dabei dürfte Wien im Vergleich zu anderen europäischen Städten im Corona-Sommer noch besser dastehen als viele andere. Im Juli lag die Auslastung bei 25,8 Prozent. Barcelona kam lediglich auf 22,5 Prozent, Budapest auf 17,7 Prozent, Rom auf 17,5 Prozent, Lissabon gar nur auf 12,5 Prozent, zeigen STR-Daten. Frühestens 2024 erwartet Kraus-Winkler eine Rückkehr auf Vorkrisenniveau. "Wir müssen alles machen, dass wir so viele wie möglich durch das Tal der Tränen bringen", sagte Mahrer. Wie genau, das muss die Taskforce erarbeiten.

Rückgang strahlt aus

Deutliche Einbrüche bei Jobs und Wertschöpfung spürt der Tourismus auch im Alpenraum – aber auch Handel, Verkehr oder Bau. Die Beherbergungsumsätze werden im österreichischen Alpenraum heuer um fast ein Drittel (32 Prozent) sinken, zeigt die Studie Alpentourismus 2020 der Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung (GAW), die im Auftrag der internationalen Interessengemeinschaft für alpines Wirtschaften, Vitalpin, erstellt wurde. Dadurch sinke das Bruttoregionalprodukt um 7,2 Milliarden Euro, die Bruttowertschöpfung um 6,5 Milliarden Euro.

Keine Insel

Der Tourismus sei keine Insel, sondern ein System, an dem sehr viele andere Branchen dranhängen, betonte Vitalpin-Geschäftsführerin Theresa Haid. Die befürchteten 32 Prozent weniger Umsatz würden 62.500 Jobs kosten – der Großteil nicht in der Tourismusbranche selbst, sondern im Handel (10.000) und im Dienstleistungssektor (5000 in Verkehr und Logistik, mehr als 4000 in der Baubranche). In Beherbergung und Gastronomie sind es laut Studie 25.500 Jobs weniger.

Kurzarbeit helfe nicht mehr ewig als Überbrückung, warnen Hoteliers. Die Liquidität gehe zur Neige, die Kosten laufen davon.

In der Wintersaison stehe "extrem viel auf dem Spiel", warnt Haid, es brauche Sofortmaßnahmen und abgestimmte Regelungen für die Planungssicherheit. Sonst gehe das Vertrauen der Gäste verloren. "Die Wintersaison muss gelingen."

Winterschanigärten

"Der Wintertourismus besteht nicht nur aus Loipe und Piste, sondern auch aus Weihnachtsmärkten, Großveranstaltungen, Bällen, Kongressen und Messen in den Städten", skizziert Kammerpräsident Mahrer. Deshalb wäre es heuer "total widersinnig", die Schanigärten zuzumachen. Mit Heizschwammerln könnte man sie durchgehend offenlassen – "für die, die es wollen", sagte Mahrer. Wiener Gastronomievertreter haben sich bereits im Sommer für eine Ausdehnung der Sperrstunde und eine Verlängerung der Saison ausgesprochen. Auch Christkindlmärkte kann sich Mahrer im Ausnahmejahr vorstellen. Es brauche Leitsysteme und Masken – allenfalls den Verzicht auf Alkohol. (ung, APA, 4.9.2020)