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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron investiert Milliarden in ein Konjunkturpaket, senkt aber die Steuern. Die EU macht es möglich.

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Macron klotzt: So lautet, auf den Punkt gebracht, das Wirtschaftsrezept des französischen Präsidenten gegen die Corona-Krise. Der Ankurbelungsplan namens "France Relance", den Premierminister Jean Castex am Donnerstag vorstellte, wiegt nicht weniger als 100 Milliarden Euro. Das ist auch für ein Land von der Größe Frankreichs erheblich: Der Betrag stellt vier Prozent des Bruttoinlandproduktes dar.

Allerdings hat Frankreich auf das Jahr gerechnet auch mit einer gewaltigen Rezession von elf Prozent zu kämpfen. Die Regierung habe deshalb gar keine Wahl, als die Konjunktur mit einem noch nie dagewesenen Großeinsatz anzukurbeln, erklärte Castex; nur so lasse sich ein Zusammenbruch der Wirtschaft verhindern. Ziel sei es, Frankreich bis 2022 wieder in den Zustand vor dem Ausbruch der Pandemie zurückzuführen. Das trifft sich zeitlich gut: Mitte 2022 wird Macon zweifellos zu seiner Wiederwahl antreten.

Tausende neue Arbeitsplätze

25 Milliarden Euro fließen in die Rettung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Seit März haben eine halbe Million Franzosen ihren Job verloren. Die Kurzarbeit wird in Frankreich von Staats wegen weiterhin stark, auch stärker als in den Nachbarländern unterstützt. Die Einstellung von Jobsuchenden unter 26 Jahren wird mit 4000 Euro pro Quartal subventioniert. Diese für Frankreich nicht neue – und nicht immer sehr erfolgreiche – Politik staatlicher Jobschaffung soll laut Castex 160.000 Jungen Arbeit vermitteln.

Die Regierung investiert zudem massiv in innovative Firmen in den Bereichen Gesundheit, Informatik, Transport, Agrarwirtschaft und Industrie. Allein die "grüne" Wirtschaft erhält insgesamt 30 Milliarden, erklärte Castex. Der Hauptaufwand gilt den erneuerbaren Energien, der Eisenbahn und den Gebäuderenovierungen. Ein Nebenziel ist es, die Produktion von Medikamenten, Elektronik oder anderen strategischen Erzeugnissen zu "relokalisieren", das heißt von China und anderen Ländern nach Frankreich zurückzuschaffen.

Paris träumt vom Mittelstand

Nutznießer sollen nicht so sehr die Großkonzerne sein: Drei Viertel aller Staatsinvestitionen kommen Klein- und Mittelunternehmen zugute. Die Wirtschaftszeitung "Les Echos" kommentierte, die Regierung in Paris träume offensichtlich davon, einen "Mittelstand" wie Deutschland zu schaffen. So senkt Castex die Steuern für kleinere und mittelgroße Unternehmen um 20 Milliarden Euro. Dies gilt vor allem für Abgaben auf produzierten Gütern. Das "Made in France" soll wieder wettbewerbsfähig werden. Es gehört zu den Besonderheiten Frankreichs, dass dies mit öffentlicher Hilfe geschieht.

Erstaunlicher ist, dass die Regierung in Paris einen dreistelligen Milliardenplan auflegt – und gleichzeitig die Steuern senkt. Castex zieht damit die Lehren aus der Finanzkrise von 2008, in deren Folge Frankreich die Steuern angehoben hatte, um den damaligen Konjunkturplan zu finanzieren; die Unternehmen litten aber nur noch mehr.

EU-Zuschüsse machen es möglich

Möglich wird das finanzpolitische Wunder hoher Investitionen und Steuersenkungen dank der EU. Sie steuert aufgrund ihres eigenen Rettungsplans nicht weniger als 40 Milliarden Euro an die französischen Anstrengungen bei. Nicht zufällig lobte Castex die "historische" Einigung Deutschlands und Frankreichs auf die gemeinsam getragenen EU-Zuschüsse für die Partnerstaaten.

Den Rest des Milliardenpakets finanziert Frankreich mit neuen Schulden. Sie dürften mittelfristig 120 Prozent des Bruttoinlandproduktes erreichen. Laut Castex soll die Staatsschuld bis 2025 wieder "fast" auf den Vor-Corona-Stand gesunken sein.

Mit Geldgeschenken überhäuft

Philippe Martinez von der Gewerkschaft CGT kritisierte denn auch, dass die Unternehmen mit Geldgeschenken überhäuft würden, ohne soziale Gegenleistungen erbringen zu müssen. Übergangen würden auch viele Arbeiter an der Corona-Front – Kassiererinnen, Sicherheitsleute, Ladenverkäufer oder Haushilfen.

Greenpeace France wirft dem Regierungsplan vor, er sei "weniger grün, als er scheine". CO2-intensive Branchen wie die Luftfahrt oder die Autoindustrie würden im gleichen Umfang gefördert wie "grüne" Sektoren, moniert Greenpeace-Vorstand Jean-François Julliard. (Stefan Brändle aus Paris, 4.9.2020)