Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) sieht beim Schutz vor Firmenausverkauf Brüssel am Zug. Es brauche europäische Champions.

Foto: APA

Alpbach – In Europa beschleunigt die Corona-Krise Tendenzen, Unternehmen vor Übernahmen durch Konzerne aus den USA oder China zu schützen. Selbst Staatsbeteiligungen gelten als probates Mittel, um europäisches Eigentum und damit Beschäftigung und Eigenständigkeit zu sichern. Ein großes Defizit gibt es aber in den Augen von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) bei diesem Thema weiterhin. Sie drängt auf eine Lockerung der Fusionskontrolle, um Zusammenschlüsse europäischer Unternehmen zu erleichtern.

Hier hat die im Kartellrecht maßgebliche EU-Kommission immer wieder das Zusammengehen von Konzernen be- oder verhindert, weil sie eine Übermacht einzelner Unternehmen fürchtet. Schramböck hält diese Einstellung für deplatziert, wie sie dem STANDARD beim Europäischen Forum Alpbach sagte. "Wir denken in der EU zu kleinkariert. Nicht der Wettbewerb beispielsweise zwischen Belgien und Italien ist entscheidend, sondern der von Europa mit den USA und China."

"Da war Europa naiv"

Sie begründet ihre Forderung nach einer Reform des EU-Wettbewerbsrechts mit dem Verschwinden strategisch wichtiger Unternehmen. "Europa hat den Ausverkauf wichtiger Technologien in den letzten 20 Jahren gut betrieben. Da war Europa schon naiv", findet Schramböck. Als Beispiel nennt sie die Einverleibung des französischen Telekom- und IT-Konzerns Alcatel durch den US-Rivalen Lucent.

In vielen weiteren Technologiefeldern seien europäische Anbieter unter die Räder gekommen. Umso weniger Verständnis bringt die ÖVP-Politikerin für Verbote von Zusammenschlüssen auf und nennt dabei die Vereitelung des Bahn-Konglomerats Siemens-Alstom durch die EU-Kommission als Beispiel. "Das ist einfach falsch", erklärt sie. Schramböck sieht nun aber Bewegung. Die Kommission sei aufgewacht.

Kampf um Standorte

Um wichtige Produktionen in Österreich zu halten, ist die Ministerin recht umtriebig. Mit dem Pharmariesen Novartis wurde der Verbleib der Penicillin-Produktion im Tiroler Kundl vereinbart, die von den Schweizern infrage gestellt worden war. Bund und Land nehmen dafür 50 Millionen Euro in die Hand, die in Investitionen fließen. Ein anderes Schicksal ereilte den Wiener Impfstoffentwickler Themis, der auch im Corona-Geschäft mitmischt. Im Frühjahr wurde Themis an den US-Konzern Merck verkauft. Auch der staatliche Gründerfonds stieg aus.

Schramböck verteidigt den Schritt damit, dass man noch auf das alte Außenwirtschaftsgesetz angewiesen gewesen sei, das keine Handhabe geboten habe. In der Zwischenzeit wurde das Investitionskontrollgesetz verabschiedet, das dem Wirtschaftsministerium in solchen Fällen ein Vetorecht gegen den Verkauf an Unternehmen aus Drittstaaten einräumt. Dass auch der Gründerfonds ausgestiegen ist, liege an den internen Regeln: Das Vehikel dürfe nur zehn Jahre investiert bleiben.

Aufmerksam wird von der Regierung auch der geplante Verkauf der Medizinsparte durch Semperit verfolgt. Hier könnte es theoretisch zu einem Veto kommen, wenn der auf Operations- und Gummihandschuhe spezialisierte Teil des Konzerns an einen asiatischen Konkurrenten verkauft werden sollte. Laut Schramböck befindet man sich mit Semperit in guten Gesprächen. Mehr wollte sie dazu nicht sagen. (Andreas Schnauder, 4.9.2020)