Der Kunsthandel war nur eine von vielen Branchen, die vom Lockdown und diversen Covid-Verordnungen wirtschaftlich in die Knie gezwungen wurden. Der Onlineverkauf war bekanntlich über Wochen die einzige Alternative – sofern man ein gut bestücktes Warenlager hatte. Die Akquisition gestaltete sich dagegen schwierig bis nahezu unmöglich, bestätigt Otto Hans Ressler rückblickend. Wie er die für September geplante Versteigerung seines 2014 gegründeten Auktionshauses bestücken können würde, war daheim im Homeoffice eine durchaus drängende Frage. Otto Hans Ressler hatte Glück. Er bekam die Kunstsammlung von Helmut M. Zoidl "anvertraut", wie er es formuliert.

Alfons Waldes "Berghof", gemalt im Jahr 1938, geht mit einem vergleichsweise günstigen Rufpreis von 120.000 Euro an den Start.
Foto: Klaus-Dieter Weber

Zoidl bildete zusammen mit Hannes Androsch und Willi Dörflinger das erfolgreiche AT&S-Triumvirat. 1994 hatten sie von der ÖIAG den Leiterplattenhersteller übernommen, an dessen Sanierbarkeit nur wenige glaubten. Der Boom der Mobiltelefonie bescherte die Wende. Von 96 Millionen Euro (1994) stieg der Jahresumsatz zunächst auf 275 Millionen Euro (2002), mittlerweile liegt er bei 992 Millionen Euro (2017/18). Zoidl, dessen Todestag sich am 14. September zum siebenten Mal jährt, war nach einem Streit aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden und trat den Großteil seiner Aktien 2002 an die AT&S ab.

Ressler, aus Knittelfeld gebürtig, kannte den Unternehmer mehr als drei Jahrzehnte. Das erste Treffen begab sich Anfang der 1980er-Jahre in einer Filiale der Sparkasse, wo Zoidl, damals Alleingeschäftsführer der Eumig Fohnsdorf, dem Bankangestellten Ressler eine Mappe mit Grafiken in die Hand drückte: der sogenannte Fohnsdorf-Zyklus, der aus drei Holzschnitten von Wolfgang Herzig bestand, die Zoidl als Werbegeschenk verteilte.

Doppler-Mäzen

Der Auktionator, der später im Dorotheum Karriere machte und zu den Mitbegründern des Auktionshauses "im Kinsky" gehörte, hält diese Holzschnitte bis heute in Ehren. Zoidl war ein Mensch, der für die Kunst brannte, erzählt er. Mit dem AT&S-Erfolg stieg auch sein Appetit. Davon zeugt auch das 2010 von seinem Freund Helmut A. Gansterer herausgegebene Buch Mein Weg zur Kunst, in dem 314 Kunstwerke von A wie Angeli Eduard bis Z wie Zeppel-Sperl Robert publiziert wurden.

"Der spät gefundene Zugang zur Kunst hat mein Leben in entscheidender Weise positiv beeinflusst", gab er den Lesern mit auf den Weg und gewährte anekdotenhaft Einblick: Demnach bescherte ihm ein vom Land Oberösterreich unterstütztes Atelierhaus, in dem Künstler zu günstigen Konditionen arbeiten durften, prägende Erlebnisse. Die dort verkehrenden Künstler hätten ihn fasziniert, insbesondere "deren weibliche Pendants".

Mit Franz Ringel verband Helmut M. Zoidl auch eine langjährige Freundschaft. Zu den Werken in der Sammlung gehört "Der Trinker" (1995): Rufpreis 15.000 Euro
Foto: Klaus-Dieter Weber

Die meisten erschienen ihm begehrenswert, "manche sogar überdurchschnittlich hübsch, alle wirkten sie erotisierend". Drei- bis viermal wöchentlich sei er fortan mit "ein bis zwei Doppler vom allerfeinsten Brünnerstraßler" bewaffnet auf den Römerberg in Linz gepilgert. In kurzer Zeit habe er sich so "den Ruf eines Mäzens erarbeitet". Ob aufgrund des Weins oder doch aufgrund erster Ankäufe, verriet Zoidl nicht.

Parallel zu seiner Sammlertätigkeit sponserte er einige Kunstbücher, namentlich über Wolfgang Herzig (1995), Karl Korab (1996), Franz Ringel (1997) und Eduard Angeli (1998). Als er sich 1999 in den Ruhestand zurückzog, gründete er die H.M.Z. Privatstiftung und berief Manfred Zandl, einen langjährigen Freund, den er Ende der 1980er-Jahre über Androsch kennengelernt hatte, zum Stiftungsvorstand. Stand 2012 waren die Vermögenswerte beträchtlich: Dazu gehörte ansehnlicher Grundbesitz, die Kunstsammlung und 20 bis 30 Millionen Euro an Barvermögen. Das Verhältnis zwischen Zoidl und Zand war jedoch mittlerweile von gegenseitigem Misstrauen getrübt. Schließlich eskalierte der Disput und landete vor Gericht.

Wie Format im Mai 2012 berichtete, fühlte sich Zoidl "als Stifter und Begünstigter der Privatstiftung sukzessive kaltgestellt". Bei Nachforschungen sei er auf Unregelmäßigkeiten gestoßen, die zwischendurch Gegenstand von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Leoben waren. Demnach seien Liegenschaften überteuert gekauft worden und habe sich der Stiftungsvorstand "unzulässigerweise Provisionen" in üppigem Ausmaß auszahlen lassen. Zand bestritt die Vorwürfe vehement.

"Die Stiftung ähnelte jahrelang einem Selbstbedienungsladen", resümierte Zoidls Anwalt Meinhard Novak damals. Die Angelegenheit wurde schließlich bereinigt. Novak brachte kurz vor Zoidls Tod die Aussöhnung der beiden Streithähne zuwege, erklärt er dem STANDARD. Nachsatz: Die Geschäfte der Stiftung liefen sehr gut und zur Zufriedenheit der Begünstigten, konkret Zoidls Tochter und Witwe.

Verkauf in Tranchen

Zuletzt investierte man in Luxusimmobilien an der Küste Kroatiens. Von Liegenschaften in Österreich hatte man sich im April 2014 getrennt: Für 40 oder auch 50 Millionen Euro, so genau habe Novak das spontan nicht in Erinnerung, verkaufte man das Schloss Gabelhofen in Fohnsdorf, das Seehotel am Grundlsee und den etwa 2000 Hektar großen Forstbesitz in Authal an Dietrich Mateschitz. Sowohl das Schloss als auch das Seehotel und die angrenzende "Villa Anna" am Grundlsee sind Teil des unter Tauora firmierenden Geschäftszweiges "beflügelnde Orte".

Zurück zur Kunstsammlung, die laut Otto Hans Ressler etwa 400 Werke umfasst. Etwa die Hälfte soll auf vier Auktionen versteigert werden. Der Erlös soll um die zwei Millionen Euro betragen. Eine erste Tranche mit Zeitgenössischer Kunst und Klassischer Moderne kommt am 21. September unter den Hammer: 37 Werke, deren Rufpreise sich auf rund 375.000 Euro summieren. Als teuerstes Werk geht Alfons Waldes Berghof von 1938 mit 120.000 Euro an den Start, gefolgt von Werner Bergs Frau mit Kopftuch (Rufpreis 55.000).

Für wann Maria Lassnigs Prachtbild Wilde Tiere sind gefährdet vorgesehen ist, das Ressler Zoidl 2000 für rund 124.000 Euro bei "im Kinsky" zuschlug? Vorerst gar nicht, erklärt er, das Bild sei an eine Privatperson aus dem Umfeld der Stiftung verliehen. Meinhard Novak, mittlerweile ebenfalls Vorstand der Stiftung, ist da noch unschlüssig. Er könnte sich dieses Werk durchaus als Dauerleihgabe an den Wänden der Albertina vorstellen. Zufälligerweise gehört er zu deren Förderern. (Olga Kronsteiner, 6.9.2020)